Kosaken Liebe
»Ich schwöre dir, ich werde Marinuschka zurück nach Rußland bringen!«
Im ersten Abenddunkel schwammen sie mit vier Pferden unterhalb des Ablegeplatzes, an einer seichten, ruhigen Stelle, durch den Fluß. Drüben, am anderen Ufer, blickte Muschkow noch einmal zurück zu den Booten und Flößen, zu den Feuern und Zelten, den Pferden und Fahnen.
Eine Glocke läutete, der Abendgottesdienst begann.
Muschkow bekreuzigte sich. Dann riß er sein Pferd herum und galoppierte mit Marina in die dunkle Steppe.
Bis zur Beendigung des Gottesdienstes vermißte Jermak Timofejewitsch seinen Adjutanten Boris Stepanowitsch nicht. Daß Muschkow nicht an dem Gebet teilnahm, war selbstverständlich – er mußte sich um die Bootsflotte kümmern, die abfahrbereit am Fluß lag. Große Mengen Verpflegung wurden eingeladen, Fürst Tausans Herden waren bis auf das letzte Schaf geschlachtet, gebraten und unter die Kosaken als Reiseproviant verteilt worden.
Um keinen Verdacht zu erregen, blieb Alexander Grigorjewitsch Lupin im Lager, half dem Kosakenpopen beim Zusammenpacken seiner Sachen, kümmerte sich dann um das breite Kirchenboot im Tobol und wußte ebensowenig wie Oleg Wassiljewitsch einen Rat, wie man zwei oder drei der fröhlichen und liebestollen Mongolinnen aus Tausans Harem mitnehmen konnte. Mit düsterer Miene lief der Pope herum, versuchte, die Mädchen in den Kisten zu verstecken, in denen er die Meßgeräte abtransportierte, aber dort wären sie erstickt, und das war ja nicht der Sinn der Sache.
»Entsagung steht dem Frommen wohl an!« sagte schließlich der Pope traurig. »Es bleibt nichts anderes übrig …«
»In Sibir wird Kutschum einen hundertmal größeren Harem haben, Väterchen«, meinte Lupin. »Er wird sich die schönsten Mädchen aus allen Gegenden seines Reiches geholt haben. Hoffen wir darauf!«
»Erst müssen wir aber Kutschum besiegen, Alexander Grigorjewitsch.«
»Zweifelst du daran? Mit den Heiligen auf den Fahnen?«
»Ein gutes Wort!« Oleg Wassiljewitsch zog Lupin an sich, küßte ihn auf die Stirn und dachte plötzlich daran, daß in dieser Nacht zwei Mörder, die bereits gebeichtet hatten und an denen sechshundert Rubel hingen, unterwegs waren, um ihr Opfer zu suchen. »Gehen wir zum Gottesdienst!«
Die mitgeführte Glocke aus dem Kloster Uspensk läutete, ein Kosakenchor sang fromme Lieder, die anderen Priester gingen umher und schwenkten Weihrauchkessel oder besprengten die gesenkten Köpfe der Gläubigen mit Weihwasser. Morgen bei Sonnenaufgang, würde man dem Heer Mametkuls entgegenschwimmen …
Die große Hoffnung war, daß Tausan und seine freigelassenen Männer überall erzählt hatten, daß es gegen die deutschen Gewehrträger und vor allem gegen die eisernen Rohre, aus denen urgewaltige Donner krachten, Nebel wallten und eiserne, kopfgroße Kugeln selbst Bäume umrissen, kein anderes Mittel gab als Flucht oder Ergebung.
In der ersten Reihe der Betenden kniete Jermak Timofejewitsch. Tief in Gottes Wort versunken, hielt er den Kopf gesenkt – aber was er tatsächlich dachte, war alles andere als ein Anruf der Heiligen …
Ob sie Muschkow schon getötet haben? Es wird nicht einfach sein, ihn zu überlisten – und einen Zeugen darf es nicht geben! Nur drei Menschen wissen davon, und zwei von ihnen – die Mörder – werden schweigen. Nicht wegen der zweitausend Rubel … Sie auszuzahlen, daran hatte Jermak nie gedacht. Die Mörder würden stumm sein, weil sie ihre Tat nur solange überlebten, um sie Jermak zu berichten.
Während der Chor einen Choral sang, dachte Jermak an Marina Alexandrowna. Eine Weile wird sie trauern, aber ich werde sie mit Geschenken überhäufen, wie die Zarin sie nicht von Iwan bekommt. Auf Kosten der Stroganows natürlich … Und wenn sie sich den Geschenken nicht beugt, wird man sie überwältigen müssen. Wen Jermak einmal geliebt hat, die vergißt ihn nicht mehr! Auch Marina Alexandrowna wird da keine Ausnahme sein. Sie ist ein Weib, und jedes Weib bewundert einen Mann, der streicheln kann und mit denselben Händen zupacken wie mit Eisenklammern. Tierchen sind sie alle, die sich beherrschen lassen wollen …
Wie wenig kannte Jermak doch Marina!
Ein paarmal strich der Kosakenpope um Jermak herum, betrachtete den gebeugten Nacken und war versucht zu brüllen: »Du Verrufener, steh auf, lauf zum Fluß und rette deinen Freund!« Aber dann kitzelte ihn im schwarzen Teil seiner Seele der Anteil von sechshundert Rubel, er schwieg und tröstete sich mit dem
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