Kosaken Liebe
etwa gemeinsam getötet? Werden die beiden Kosaken kommen und sagen: »Jermak Timofejewitsch, es ließ sich nicht anders machen – wir mußten sie beide umbringen! Niemand darf es sehen, hast du befohlen, aber der Adjutant war immer bei Muschkow. Wir haben nur getan, was du gesagt hast …«
Die Stunden verrannen, und weder Muschkow noch Marina, noch die beiden Kerle ließen sich blicken. Dafür irrte der Pope Oleg Wassiljewitsch umher, stand am Flußufer und brüllte nach seinem Diakon Lupin, der eigentlich auf dem Kirchenboot sein müßte. Auch ihn hatten viele Kosaken vor Stunden gesehen, wie er fleißig den Altar auf dem großen Kahn aufbaute …
Das war wohl richtig, denn der Altar stand da in voller Pracht, bereit für den nächsten Morgen – für die Abfahrt. Aber Lupin selbst war unauffindbar.
Kurz vor Mitternacht – Muschkow und Marina ritten durch die Dunkelheit, jeder das Packpferd hinter sich an einem langen Zügel, die Waffen griffbereit, denn überall streiften noch versprengte Tataren oder Ostjaken herum, die jetzt lieber einen Russen töteten als hundert Zobel – trafen sich Jermak und der Kosakenpope am Fluß.
»Meinen Diakon haben sie entführt!« sprach Oleg Wassiljewitsch mit seiner mächtigen Stimme. »Ich habe vieles als Kosak erlebt, aber daß man ein so liebes, kluges Väterchen wie Lupin einfach verschwinden läßt – das ist alle Höllenstrafen wert!«
»Ich suche Boris Stepanowitsch!« sagte Jermak, heiser vor Erregung. »Auch ihn hat keiner gesehen!«
Der Pope schielte zu Jermak hinüber und strich seinen langen Bart. »Du bist unruhig, Jermak?« fragte er lauernd.
»Ich brauche das Kerlchen!« schrie Jermak.
»Den Wartenden peinigen manchmal die Teufel«, meinte Oleg Wassiljewitsch weise und seufzte. »Wo ist Lupin? Vielleicht bei Muschkow – aber auch Muschkow ist nirgends zu entdecken …«
»So, man vermißt auch Iwan Matwejewitsch?« fragte Jermak leichthin. Dabei setzte sein Herzschlag aus. Dann ist es gelungen, dachte er. War Marina bei ihm?
»Eine böse Nacht jedenfalls«, sagte der Pope anzüglich. »Eine höllisch böse Nacht, Jermak Timofejewitsch! Die Menschen verschwinden, als seien sie Tautropfen in der Sonne. Suchen wir weiter …«
Gegen Morgen war es klar, daß Muschkow, Marina und Lupin weder am Fluß, noch im Lager, noch sonstwo in der Steppe am Tobol waren. Die beiden Kosaken mit dem Mordauftrag kamen in Jermaks Zelt und berichteten, sie hätten Muschkow nicht gefunden. Alles deutete darauf hin, daß er geflohen sei.
»Wer von euch hat geschwatzt?« schrie Jermak. Seine Adern schwollen an den Stirnseiten an, er sah furchterregend aus, und seine Augen schimmerten in einem irren Glanz. »Wer hat ihn gewarnt, he?«
Die beiden Kosaken dachten an ihre Beichte, aber der Pope konnte nichts wissen, denn sie hatten ja keinen Namen genannt. So zuckten sie mit den Schultern und sagten: »Keiner weiß es, Jermak.«
»Und Boris Stepanowitsch?« brüllte Jermak, außer sich.
Das war eine Frage, die überhaupt nicht zu beantworten war. Wer hatte je von Jermaks Adjutanten gesprochen? Muschkow war weg … wer weiß, wo sich nun das Kerlchen herumtrieb. Hat sich vielleicht eine kleine Mongolin herangeholt, der hübsche Bengel, dachten sie und grinsten verlegen. Auch er muß ja mal ein richtiger Mann werden …
Jermak jagte die beiden hinaus und ging hinüber zu Tausans Haremszelt, wo Oleg Wassiljewitsch auf dem Diwan saß, lustlos mit zwei der zwitschernden Vögelchen spielte und seinen Diakon Lupin nicht mehr verstand.
»Ist Alexander Grigorjewitsch da?« fragte Jermak hart.
Der Pope schüttelte den Kopf. »Man muß ihn umgebracht und dann verscharrt haben! Streunende Tataren! Und ich hatte mich so an ihn gewöhnt, Jermak. Eine edle Seele …« Er stieß die beiden entblößten Mongolinnen weg und wischte sich über die Augen. Er war wirklich erschüttert. »Und wo ist Muschkow?«
»Weg!«
»Und Boris Stepanowitsch?«
»Verschwunden!«
»Sie müssen irgendwo in eine Horde von Mametkuls Reitern geraten sein! Heiliger Stephan!« Der Kosakenpope sprang auf. Seine Stimme dröhnte: »Ich erschlage ab sofort jeden Tataren! Ich werde durch Sibirien ziehen und eine Schneise schlagen wie ein Wirbelsturm! Ich werde den Priesterrock dafür ablegen!«
»Nicht so eilig, Väterchen.« Jermak starrte vor sich hin, seine Hände verkrampften und öffneten sich wieder. »Könnten sie nicht zusammen … geflohen sein?«
»Geflohen?« Oleg Wassiljewitsch riß die Augen auf.
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