Kosaken Liebe
wo ist deine Kosakenehre geblieben?«
»Marina ist kein Würfeleinsatz!« schrie Iwan. »Ich liebe sie! Sie ist mein Leben!«
»Darum hatte ich dir geraten, in der Schlacht zu sterben!«
Sie schwiegen, lehnten gegen den Kahn, blickten über den Tobol, in dem die Maisonne glitzerte und auf dem ein paar Boote schwammen mit Kosaken, die in selbstgeknüpften Netzen Fische fingen. Es gab so viel Fische im Fluß, daß man sie beinahe herausschaufeln konnte wie Fleischstücke aus einer Suppe.
»Soll Sibirien nie erobert werden, nur weil wir uns gegenseitig umbringen, Muschkow?« fragte Jermak endlich. »Soll ein Mädchen verhindern, daß Rußland das reichste Land der Erde wird?«
»Warum fragst du mich? Wer will Marina an sich reißen?«
»Wer will sie unbedingt behalten, obgleich dem Hetman die beste Beute zusteht?«
»Sie ist schon längst keine Beute mehr!« schrie Muschkow.
»Sie war es, und du hast mich um sie betrogen!«
Es war offensichtlich, daß man so nicht weiterkam. Die beste Lösung war, die Krummsäbel zu nehmen und aufeinander loszugehen. Der Stärkere hat immer recht … das ist eine fatale, aber unausrottbare Weisheit.
Doch davor scheuten Jermak und Muschkow zurück. Sie kannten sich zu gut, sie wußten von allen Tricks, mit denen man fechten kann, und ahnten jede List des anderen im voraus.
»Zehntausend Rubel!« sagte Jermak nach einer Weile. Muschkow zuckte zusammen.
»Du bist verrückt, Jermak Timofejewitsch!«
»Zehntausend Rubel! Sie liegen verbrieft bei den Stroganows in Orjol!«
»Der Reichtum der ganzen Welt kann Marina nicht bezahlen«, antwortete Muschkow fest.
»Dazu tausend Zobelfelle und zweitausend Schwarzfüchse.«
»Du kannst mir ganz Mangaseja bieten, den Sternenhimmel und die Sonne … ich verkaufe Marina nicht!«
»Und tausend Weißfüchse dazu! Fünfhundert Biber!«
»Wenn Gott mir die Seligkeit im Himmel verspräche, ich würde sie ablehnen für das kurze Leben mit Marina in einem Erdloch!«
»Ein kurzes Leben. Und ein Erdloch!« Jermak blickte Muschkow mit geneigtem Kopf an. Die kalten Augen einer Viper, dachte Muschkow wieder. »Beides kannst du haben, Iwan Matwejewitsch. Überleg es dir …«
Jermak bückte sich, hob seine Würfel auf, steckte sie in die Tasche, klimperte mit ihnen und ging hinunter zum Fluß.
Es war der Kosakenpope Oleg Wassiljewitsch Kulakow, der Muschkow den richtigen Weg wies. Mochte der Pope auch in vielem ein unangenehmer Mensch sein, ein großes Ferkel, eine ständige Beleidigung Gottes – von Freundschaft hielt er viel. Und Muschkow war sein Freund, auch wenn man sich schon öfters geprügelt hatte. Das eine schließt das andere nicht aus …
Außerdem hatte sich mit unserem lieben Popen Kulakow eine innere Wandlung vollzogen. Seit dem Brandwunder, das ihm das Wort MIR eingebracht hatte – das er mit Hilfe Lupins und eines Spiegels immer wieder betrachtete –, war der Pope nachdenklicher geworden. Es war zwar wenig erbaulich, seinen Hintern zu bewundern, aber die Entstehung des Brandzeichens blieb ungeklärt, und alles Nachdenken half nichts. So begann in Kulakow die Überzeugung zu reifen, daß es wirklich ein Wunder sei.
Und das erschütterte ihn. Warum gerade er? Es gab Tausende von Priestern in Rußland – und gerade ihn erwählte man aus, um ein MIR – FRIEDE auf dem Hintern zu tragen! Und wenn man weiterdachte, daß dieses Zeichen vielleicht eine Vorstufe zum Heiligsein sein könnte, dann blieb Oleg Wassiljewitsch der Atem weg aus Ehrfurcht vor sich selbst!
Bei den Beichten, die er den Kosaken abnahm und die ohne Ausnahme schmutzige Berichte waren, über die man sich angeregt unterhielt, ließ er jetzt schon einmal einfließen, daß Sibirien einmal mit dem Namen des ›heiligen Oleg‹ verbunden sein würde …
Aber bei einer dieser Beichten, am Vorabend des großen Aufbruchs, der die Kosaken dem Heer des Mametkul entgegenführen sollte, fragten zwei Kosaken den Popen, ob sie im voraus um Vergebung bitten könnten, denn sie müßten einen Mann töten.
Oleg Wassiljewitsch wurde hellhörig und sagte feierlich: »Sprecht euch aus, liebe Brüder. Spuckt die Wahrheit in Gottes Mantel, er wird's schon abputzen!«
»Das ist so«, sagte der eine Kosak. »Jermak hat befohlen, daß wir jemanden umbringen sollen.«
»Auf welche Weise?« fragte der Pope.
»Das ist uns überlassen. Nur tot muß er sein!«
»Es ist Krieg …«, meinte Kulakow und hob den Blick zur Decke.
»Aber es ist ein Kosak wie wir …«, stotterte der zweite
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