Kosaken Liebe
Väterchen, wir sind uns nur im Ural begegnet. Was mich schon damals wunderte ist, daß du als Pope keinen Bart trägst …«
»Ich hatte ihn voller Läuse!« sagte Muschkow, bevor Lupin eingreifen konnte. »Mongolische Läuse! Sollte ich sie mit nach Rußland bringen und mein Vaterland verseuchen? Nein! So habe ich meine Zierde geopfert, um Rußland sauber zu halten!«
»Erzähl das den Offizieren des Zaren!« Der Fuhrmann küßte Muschkows Brustkreuz und sah Iwan Matwejewitsch zweifelnd an. »Das Land ist überschwemmt von falschen Priestern, heißt es. Sie ziehen von Dorf zu Dorf, predigen und stehlen! Eine neue Sorte von Gaunern! Die Soldaten fangen jeden ein, und wer nicht gewisse religiöse Dinge beherrscht – ein echter Priester prüft sie alle! – wird in den Kerker geworfen! Die ganz bösen Strolche blendet und entmannt man! Väterchen, paß gut auf dich auf!«
»Da sind wir schön dran«, meinte Muschkow, nachdem der Fuhrmann weitergezogen war. »Was hast du von Oleg Wassiljewitsch gelernt, Alexander Grigorjewitsch?«
»Fluchen, Saufen und Huren!« sagte Lupin düster. »Das reicht für keine Prüfung!«
Muschkow sah an sich hinunter. Sein Priesterrock war schmutzig, fleckig, eingerissen und an der Rückseite vom ständigen Reiten durchgewetzt. Schien die Sonne darauf, erkannte man durch die dünnen Fäden die Haut. »Ich muß neue Kleidung haben!«
»Aber wie? Wenn wir sie kaufen oder tauschen, wird man die nächsten Soldaten alarmieren!« sagte Marina Alexandrowna. »Ihr habt es gehört: Das ganze Land hilft mit, die falschen Popen zu verhaften!«
»Was bleibt also?« rief Muschkow und breitete die Arme aus. »Wir werden uns neue Kleidung stehlen müssen! Habe ich es nicht immer gesagt: Nehmen ist besser als fragen …«
»Iwan Matwejewitsch …«, sagte Marina strafend. »Spricht so ein Ofenbauer?«
»Lupin, sie tritt wieder auf mein Herz!« rief Muschkow klagend. »Weißt du einen besseren Rat?«
»Ich werde vorausreiten und mich umsehen«, antwortete Lupin. »Ich allein falle nicht auf. Im nächsten Ort werde ich für Kleider sorgen.« Er sah Muschkow nachdenklich an, dann wandte er den Blick auf Marina. »Eine schöne Freiheit!« meinte er. »In Sibirien will dich Jermak töten, in Rußland will dich der Zar töten, weil du ein Kosak bist, und im Permer Land werden sie dich aufhängen, weil du ein falscher Priester bist. Was du auch tust, Iwan Matwejewitsch, du bist immer dran! Wir werden es schwer haben, irgendwo ein ruhiges Plätzchen zum Leben zu finden!«
»In Moskau …«, sagte Marina Alexandrowna tonlos. Auch sie begriff, daß Muschkow ein Mensch war, freier als ein Vogel … Jeder konnte ihn abschießen und wurde noch dafür belohnt und gelobt. »In Moskau fragt uns keiner, wer wir sind.« Tapfer sagte sie es und blickte Muschkow dabei voll an.
»Moskau!« Lupin blickte in die Ferne. Wälder und steinige Ebene, dazwischen die Tschusowaja, die in die Kama floß, wo für jeden Menschen die Freiheit begann – nur nicht für Muschkow. »Weißt du, wo Moskau ist, Töchterchen? Wieviel Werst von hier entfernt? Tausende von Werst … Erst müssen wir Moskau erreichen!«
»Hast du Angst davor, Väterchen?« Marina legte den Arm um Muschkows Hüfte und lehnte sich an ihn, und er streichelte ihr Haar. Abwesend starrte er in die Ferne, und seine Mundwinkel zuckten. »Wir sind nach Sibirien gezogen und von Sibirien wieder zurück nach Rußland. Wir werden auch Moskau erreichen … Wir werden alles erreichen, was auf dieser Welt liegt, denn wir lieben uns …«
Wenn sich die Menschheit nur nach der Liebe richten würde, brauchten wir nicht auf das himmlische Paradies zu warten. Aber leider ist es nicht so, und so wurde die Welt zu einem Irrenhaus, das sie wohl auch immer bleiben wird …
Alexander Grigorjewitsch Lupin ritt also, wie verabredet, zunächst allein von der Tschusowaja ins Permer Land und erkundete die Stimmung der Bevölkerung. Unter den Stroganows hatte man ruhig gelebt, zwar im politischen Sinne unfrei, denn daß das Land von den Russen erobert und besetzt war, konnte man nicht verleugnen. Aber man hatte genug zu essen, und die Landwirtschaft blühte auf. Die Stroganows legten Straßen an, die nicht zweimal im Jahr – im Frühling und im Herbst – als unpassierbar im Schlamm versanken, in den Handelsstationen zahlte man anständige Preise für die Felle, die Salzsiedereien gaben Arbeit auch für die, die sonst wegen ihrer Dummheit nur sinnlos durch ihr Leben getrottet
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