Kosakensklavin
für mich zu sorgen.“
Er war so verblüfft von dieser Antwort, dass ihm für einen Moment die Sprache wegblieb. Sie nutzte die Gelegenheit und entschlüpfte aus seinem Zimmer, lief den langen Flur entlang und entschwand über eine der schmalen Treppen.
„Du bist wohl vollkommen verrückt geworden“, brüllte er aufgebracht hinter ihr her. „Was denkst du, wer du bist? Betteln gehen kannst du, wenn ich nicht für dich sorge!“
Kapitel 39
Als Andrej die dunklen Quader des mächtigen Festungsbaus vor sich erblickte, sank ihm der Mut. Sonja hatte nicht gelogen - die Peter-und-Paul-Festung war ein Ort, an dem ein Gefangener für immer und ewig verschwinden konnte. Massig ragte das Bauwerk in den Himmel, die Wachtürme auf den Mauern wirkten wie Spielzeug, die Wellen der Newa umspülten die Insel von allen Seiten. Wer von hier entkommen wollte, der musste sich Flügel wachsen lassen.
Er hatte mehrere Wunden davongetragen, die nur notdürftig versorgt worden waren. Die Soldaten der Zarin waren in großer zahlenmäßiger Übermacht angetreten, hatten die kleine Gruppe Kosaken umringt und sie allesamt zu Gefangenen erklärt. Man hatte sich gewehrt und wacker gekämpft, etliche seiner Kameraden waren getötet worden, er selbst wurde von allen Seiten angegriffen und schließlich entwaffnet. In Ketten führte man ihn in die Gefangenschaft -ohne dass sein Vater dafür freigegeben worden war.
Was für ein Narr war er gewesen, auf das Wort der Zarin zu vertrauen.
Man hatte ihn auf einem kleinen Boot zur Festung gerudert, vier Soldaten bewachten ihn argwöhnisch, obgleich er so hart gebunden war, dass er sich kaum rühren konnte. Der Tag war klar, der Fluss ruhig, am Ufer drängten sich Menschen und wiesen mit dem Finger auf das Boot, vermutlich hatte man die Nachricht von seiner Gefangennahme bereits in der Stadt verbreitet. Er knirschte mit den Zähnen und dachte an Sonja, die von den Soldaten ebenfalls nach St. Petersburg gebracht worden war. Die Offiziere hatten sie huldreich begrüßt und sich als ihre Befreier aufgespielt, man hatte die Kutsche eskortiert, und er hatte voller Wut die gierigen Blicke und das lüsterne Grinsen der Soldaten beobachtet.
Er betrat die Festung durch ein östlich gelegenes Nebentor, wurde durch verschiedene enge Durchlässe geschoben und befand sich schließlich im Inneren der Festungsanlage. Eine Kirche mit spitzem, goldfarbigem Turm ragte dort auf, verschiedene große Gebäude beherbergten Soldaten, Kanonen waren an Schießscharten aufgereiht - die Insel war eine bis an die Zähne bewaffnete Militärbastion.
Er hatte geglaubt, dem Festungskommandanten vorgeführt und von ihm verhört zu werden, doch er sah sich getäuscht. Seine Bewacher drängten ihn in ein dunkles Gebäude, Moder und Feuchtigkeit quollen ihm entgegen, steinerne Treppen führten in die Tiefe - er befand sich im Gefängnis.
„Freu dich, Kosak“, sagte einer seiner Bewacher boshaft. „Du triffst hier auf deinesgleichen.“
Ein schmaler Gang, nur von Fackeln erleuchtet, ließ eine Anzahl niedriger Türen aus dicken Eichenbohlen erkennen. Die Luft war schwer und feucht, leises Stöhnen war hin und wieder zu vernehmen, Kälte durchdrang die Kleidung. Dann rasselte ein schwerer Schlüsselbund - man öffnete eine der Türen.
Der winzige Raum war spärlich durch ein enges Fensterchen erleuchtet, so dass er die Gestalt darin nicht sogleich erkannte.
Man stieß ihn hinein und verschloss die Tür hinter ihm.
„Andrej!“
Er hätte seinen Vater fast nicht wiedererkannt, so verändert war Bogdan, der Ataman. Der einst so kräftige Mann war schmal geworden, Haar und Bart waren lang gewachsen und ergraut, seine Augen schienen tiefer in den Höhlen zu liegen. Doch als Andrej näher trat, erkannte er den ungebrochenen Willen in Bogdans schwarzen Augen.
„Vater!“
Man hatte Bogdan nicht gefesselt, er machte einen Schritt auf seinen Sohn zu, hob die Hand und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Dann riss er den Verdutzten in seine Arme und drückte ihn an sich.
„Du hast es also wirklich getan“, murmelte Bogdan. „Hitzkopf, dummer. Willkommen im Elend.“
Worte waren nicht mehr nötig, Andrej wusste, dass der Vater ihm vergeben hatte, und er spürte, wie die Rührung ihn übermannen wollte. Ein Ziel hatte er wenigstens erreicht. Doch um welchen Preis!
„Wir werden einen Weg finden“, sagte er trotzig. „Ich schwöre, dass wir unsere Tage nicht in diesem Loch beenden werden. Auch wenn diese verfluchte
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