Kosakensklavin
Handel einzugehen.“
„Dann hätte man Bogdan eben gegen seinen Willen freisetzen müssen. Oder Andrej wenigstens davon Mitteilung machen müssen, verdammt!“
Sergej verlor jetzt endgültig die Geduld.
„Auf welcher Seite stehst du eigentlich, Sonja? Auf der Seite eines gewissenlosen Rebellen oder auf der Seite unserer Majestät der Zarin?“
„Auf der Seite der Gerechtigkeit stehe ich!“
Er hatte genug - es brachte überhaupt nichts, mit dieser widerspenstigen Person zu streiten. Stattdessen würde er dafür sorgen, dass sie so rasch wie möglich aus dem Palast verschwand und aufs Land gebracht wurde. Dort konnte sie wenigstens keinen Schaden anrichten.
„Hör zu, Sonja“, sagte er lehrerhaft. „Da ich als dein Bruder für dich verantwortlich bin, habe ich mir Gedanken um deine Zukunft gemacht.“
Sonja ließ sich nicht anmerken, was sie dachte. Die Offiziere hatten sie zu ihrer „Befreiung“ aus der Gewalt der Aufrührer beglückwünscht. In Wirklichkeit aber war sie jedoch keineswegs frei, sondern man verfügte über sie wie eh und je.
Sergejs Züge nahmen einen unnahbaren Ausdruck an. Er würde seiner Bruderpflicht nachkommen und für sie sorgen. Auch wenn er vermutlich nur Undank ernten würde.
„Inzwischen haben sich meine persönlichen Verhältnisse ein wenig verändert“, verkündete er mit Stolz. „Ich habe mich mit Marja Alexandrowna Ignatjewa verlobt, die Hochzeit wird im Frühjahr gefeiert werden.“
„Meinen Glückwunsch“, sagte Sonja trocken.
Sie kannte Marja Alexandrowna. Man hatte sie bei Hofe vorgestellt, eine mollige, nicht mehr ganz junge Person mit kräftigen Wangenknochen und einer stets fettig glänzenden Stupsnase. Sie war geschwätzig und schrecklich albern -aber immerhin die dritte Tochter des sehr wohlhabenden Fürsten Boris Ignatiew. Für Sergei eine gute Partie und für die Eltern das Ende aller Sorgen.
„Daher bietet sich die Möglichkeit, dass du meine Zukünftige auf dem Landgut ihrer Eltern besuchst und dort den Rest des Sommers verbringst.“
„Danke - kein Interesse.“
Erbost schob er das Kinn vor und machte eine ruckartige Kopfbewegung. Unfassbar! Er kümmerte sich um ihr Wohl, und sie erlaubte sich, einfach „nein“ zu sagen.
„Du scheinst dir über deine Lage nicht ganz im Klaren zu sein, Sonja“, dozierte er. „Du warst Gefangene der Kosaken. Ich will nicht in dich dringen um zu erfahren, was dort mit dir geschehen ist - ich möchte dein Schamgefühl nicht verletzen. Aber du solltest wissen, dass du nicht mehr mit einer Heirat rechnen kannst. Kein Mann von Rang und Namen würde eine solche Frau ehelichen, er würde damit seine gesellschaftliche Stellung aufs Spiel setzen. Unnötig zu sagen, dass Fürst Baranow mich gestern aufsuchte, um mich über die Auflösung der Verlobung in Kenntnis zu setzen.“
Die Nachricht kam nicht überraschend, hatte sie die Verlobung doch selbst aufgelöst. Die Aussicht, keine gute Partie mehr machen zu müssen, störte sie wenig. Es gab nur einen Mann, den sie über alles in der Welt liebte, und dem sie angehören wollte. Doch der saß drüben am anderen Ufer der Newa hinter dicken Mauern eingekerkert und erwartete seinen Prozess.
Da sie nicht antwortete, nahm Sergej an, sie sei bestürzt über seine Mitteilung, und er fuhr fort:
„Daher wirst du dich darauf einrichten müssen, unverehelicht zu bleiben. Solange unsere Eltern noch leben, werde ich dafür sorgen, dass du bei ihnen wohnen und ihnen im Alter beistehen kannst. Danach wird sich ein Platz in meiner Familie für dich finden, allerdings nur, wenn du dich dort willig einfügst und dich mit meiner zukünftigen Frau vertragen wirst. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit, dass du in eine fromme Stiftung eintrittst und dort ein Zuhause findest.“
Sie antwortete nicht. Mehr als je zuvor wurde ihr bewusst, wie kalt und herzlos diese Menschen waren, die sie bisher umgeben hatten. Sie war Kosakenbeute gewesen - also war sie jetzt zur Aussätzigen geworden. Zum lästigen und peinlichen Familienanhängsel, das möglichst unsichtbar irgendwo ihr Leben fristen sollte. Die sitzengebliebene Tochter, die den Eltern still und gehorsam den
Haushalt führen durfte. Geduldet im Haus ihrer Schwägerin - wenn sie bereit war, sich deren Willen zu fügen und ihr zu gehorchen. Oder eine fromme Schwester - ein Leben in Buße und Reue für nicht begangene Sünden.
„Schön, dass du dir so viele Gedanken um mich machst“, sagte sie zu Sergej. „Aber ich gedenke selbst
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