Kosakensklavin
„Mein Großmütterchen ist alt geworden und könnte einen Diener brauchen. Ich gebe dir dafür eine Pistole.“
Der grobe, schwarzbärtige Kolja spürte die Blicke seiner Kameraden auf sich gerichtet und war verunsichert. Erfüllte er Andrejs Willen, dann zog er sich Rasims Zorn zu, entschied er sich jedoch dafür, zu Rasim zu halten, dann würde er mit Andrej Ärger bekommen. Der aber war immerhin der Sohn des Ataman.
„Eine deiner Pistolen, die mit Silber und Elfenbein eingelegt ist“, verlangte er. „Darunter mache ich es nicht. Der Bursche hat reiche Eltern, die vielleicht für ihn bezahlen werden.“
„Reiche Eltern?“, rief Rasim laut. „Oho - so ist das also. Dann gehört es sich, dass über den Knaben verhandelt, und das Geld unter uns alle aufgeteilt wird!“
Beifälliges Gemurmel erhob sich. Rasim hatte recht - alle mussten von dem Geld profitieren.
Sonja verfolgte atemlos den Streit, der um sie ausgebrochen war. Ach, ihre Eltern würden nichts für sie bezahlen können. Dafür würde ihr Bräutigam Baranow ganz sicher alles daransetzen, sie zurückzukaufen. Doch in seine Hände zu fallen war nicht weniger schlimm als im Besitz der Kosaken zu bleiben. Was für ein Schicksal hatte der Herr für sie bestimmt! Noch vor wenigen Tagen war sie am Hof der Zarin um ihr Glück beneidet worden. Jetzt schien nur Elend und Tod auf sie zu warten.
„Das lasse ich gelten“, meinte Andrej ruhig. „Wenn seine Eltern ihn zurückkaufen, soll das Geld allen gehören. So lange bleibt er aber bei mir.“
Rasims breites Gesicht war von dem dunklen Bart fast zugewachsen, doch seine Augen blitzten streitsüchtig unter den dicken Brauen. Er konnte Andrej, den Sohn des Ataman, nicht ausstehen. Der Bursche spielte sich auf, kommandierte die anderen herum und bildete sich ein, jung wie er war, klüger als die alten Kämpfer zu sein. Gut, er hatte sie in den Kampf gegen die Zarin geführt, und fast alle waren ihm gefolgt. Aber er war dumm genug gewesen, sich von den Zaristen fangen und in einen Käfig sperren zu lassen.
„Wieso gerade bei dir, Andrej?“, beharrte er, während einige andere sich schon abwandten, in der Annahme, der Streit sei damit beendet. „Ich hätte den feinen
Knaben auch gern zum Diener. Mein Väterchen hat steife Knie, und ich habe keine Schwester, die ihn bedienen könnte.“
Andrejs schwarze Augen zogen sich zusammen. Er wusste, dass Rasim nicht nachgeben würde, doch auch er selbst war nicht bereit, einzulenken. Dazu war die Sache ihm aus mancherlei Gründen zu wichtig.
„Lass meine Schwester aus dem Spiel!“
Über Rasims bärtiges Gesicht glitt ein höhnisches Grinsen. Er würde Andrej heute einen Denkzettel verpassen.
„Die schöne Tanja hat freilich nicht viel Zeit, die Babuschka zu versorgen“, stichelte er. „Jeder weiß, dass sie Tag und Nacht mit anderen Dingen beschäftigt ist.“
„Ich sage es dir nicht noch einmal“, warnte Andrej, während der Zorn in ihm hochflammte. „Lass Tanja aus dem Spiel. Es ist nicht meine Schuld, dass du ihr nicht gefällst!“
Die Kosaken hatten die beiden jetzt wieder umringt und man versuchte, den Streit zu schlichten.
„He Brüderchen! Versöhnt euch. Es ist eine Schande, wenn zwei Männer wegen eines Weibes streiten.“
Doch Rasim schüttelte die Arme ab, die sich wohlmeinend um seine Schultern legten, und trat auf Andrej zu.
„Wenn du den Knaben haben willst, dann kämpfe um ihn!“
Andrej zuckte mit keiner Miene.
„Wie du willst, Rasim. Schlag vor, wie du den Kampf austragen willst.“
Rasim, der zwar gedrungen, doch fast einen Kopf kleiner war als der hochgewachsene Andrej, zog den geflochtenen Kantschu aus seinem Gürtel und fuhr damit durch die Luft. Der laute Knall ging Sonja durch Mark und Bein.
„Damit!“, sagte er. „Aber zu Pferd.“
Andrej nickte zustimmend. Die beiden Kämpfer zogen sich die weiten dunklen Blusen aus, und Sonja starrte mit ebenso viel Schrecken wie Bewunderung auf die kräftigen Muskeln an Armen und Rücken des jungen Andrej. Als er sich zur Seite wandte, um einen Kameraden um seinen Kantschu zu bitten, erblickte Sonja eine breite, kaum geschlossene Wunde, die sich über seinen rechten Oberarm zog.
Auch die Kosaken hatten die Verletzung gesehen und Unmut machte sich breit. Was für ein Unsinn, mit solch einer Wunde, noch dazu am rechten Arm, in einen Kampf zu gehen! Man redete auf Rasim ein, doch der schüttelte wild den Kopf. Hatte Andrej nicht seine Herausforderung angenommen? Hatten es
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