Kosmologie für Fußgänger
gewonnen wird, sondern von außen Energie zugeführt werden müsste, damit der Prozess in Gang kommt, dann werden wir auf die grundlegenden Gesetze der Quantenmechanik zurückgeworfen, um die weitere Entwicklung des Sterns erklären zu können. Nur mit den Regeln dieser Theorie gelingt es, Materiezustände extrem hoher Dichte zu verstehen und somit auch Größe, Masse und Zusammensetzung der Sternleichen.
Bis heute ist das Vertrauen der Physiker in die Quantentheorie noch nicht enttäuscht worden. Das lässt uns hoffen, auch jetzt, im Reich der Schwarzen Löcher, einen Ausweg zu finden, der das Universum vor Abermilliarden von Singularitäten bewahrt. Es muss etwas geben, das es uns erlaubt, die Schwerkraft zu quantisieren, eine Art Quantengravitation. Es muss ein Prinzip geben, das ähnlich wie beim Neutronenstern und beim Weißen Zwerg die Materie des Schwarzen Loches stabilisiert, und zwar bevor es zu einer Singularität kommt. Diese Probleme sind eng verwandt mit dem Ursprung des Universums. Nach der Theorie des Big Bang hat das ganze Universum ja aus einem Punkt heraus begonnen, alle Masse war in einem Punkt vereinigt. Auch hier haben wir es mit einem Singularitätsproblem zu tun. Sowohl der Tod massereicher Sterne als auch die Geburt des Universums sind über die Physik in einer Singularität miteinander verknüpft. Mit dem Singularitätsproblem stehen wir gewissermaßen im Schützengraben an der vordersten Front der Physik. Hier wird um die Lösung einer der wichtigsten Fragen der Naturwissenschaft gerungen.
Bevor wir angesichts dieser Fragen endgültig den Boden unter den Füßen verlieren, wenden wir uns lieber wieder der Singularität zu. Wie bereits angedeutet, kann sie nur vermieden werden, wenn es gelingt, die Schwerkraft innerhalb der Regeln der Quantenmechanik zu beschreiben. Eine ganz wichtige Regel der Quantenwelt vermag uns hier wenigstens ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie die Lösung des Singularitätsproblems aussehen könnte. Es geht um die grundsätzliche Unbestimmtheit von Raum und Zeit in der Welt der Quanten, es geht um die Heisenberg’sche Unschärferelation.
Werner Heisenberg erkannte 1928, dass man entweder die Position oder die Bahn eines bestimmten Teilchens exakt bestimmen kann, aber nicht beides zugleich! Wenn wir zum Beispiel ein Proton beim Flug durch eine Nebelkammer beobachten, können wir seine Bewegungsrichtung erkennen. Aber während wir uns durch den Wasserdampf in der Nebelkammer hindurchkämpfen, hat sich das Proton verlangsamt und uns dadurch der Information darüber beraubt, wo es zu einer bestimmten Zeit war. Andererseits können wir das Proton beleuchten, sozusagen eine Blitzlichtaufnahme machen, und den genauen Ort bestimmen, an dem es sich im Moment der Aufnahme befindet. Aber das Licht, oder andere zum Fotografieren benutzte Strahlung, stößt das Proton nun aus seiner Bahn und verhindert, dass wir genau erfahren, wohin es gelaufen wäre, hätten wir es nicht gestört.
Die Information aus der Welt der Teilchen ist also sehr beschränkt. Wir können immer nur Teilantworten erhalten, die selbst wieder zum Teil durch die Fragen bestimmt sind, die wir stellen. Heisenberg vermochte aufzuzeigen, dass das Produkt von Ort und Impuls, oder von Energie und Zeit, nur bis auf eine winzige Zahl genau festgelegt ist. Diese Zahl ist das Planck’sche Wirkungsquantum. Es ist eine Zahl, die so klein ist (10 -27 ), dass sich die Effekte der Unschärfe eben nur bei sehr kleinen Längen und Zeiten bemerkbar machen. In unserer makroskopischen Welt können wir Bahn und Position immer genau bestimmen. Doch bei sehr kleinen Längen schlägt die Quantenwelt zu, und jede Messung verschleiert entweder die Position oder die Bewegung des zu messenden Teilchens. Damit haben wir etwas beschrieben, das uns die Möglichkeit eröffnet, die Singularität innerhalb eines Schwarzen Loches zu beheben. Wird das Schwarze Loch so klein, dass es die Quantenwelt erreicht, so kommt die Heisenberg’sche Unschärfe zum Einsatz. Die Singularität entsteht nicht, da die Welt eben auf sehr kleinen Längen unbestimmt ist – sie schwankt! Das ist auch der Grund, warum es keine Unendlichkeiten im Universum gibt.
Diese Möglichkeit der Bewältigung des Singularitätsproblems eröffnet sich nur deshalb, weil die Unbestimmtheit eine grundlegende Eigenschaft der Quantenwelt ist, die nicht von der jeweiligen Versuchsapparatur abhängt. Sie ist, soweit wir das sagen können, eine absolute Beschränkung, was das
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