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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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empfand, ist schwer zu beschreiben. Es kam dem Mitleid näher als allem anderen. Drei Worte nur aus meinem Mund - und ich hätte ihn zurückverwandelt in den großzügigen Kavalier, als den er selbst sich am liebsten sah. Es war kaum zu fassen: Malus, dieser hemmungslose Egomane, der sich huldigen ließ als die verkörperte Schlechtigkeit, war zugleich ein armes Schwein, das nach Zuneigung gierte. Aber ich schüttelte den Kopf.
    „Ich müßte lügen."
    Er atmete schwer und dachte lange darüber nach. Und am Ende der Überlegung ging in seinen Augen ein Wandel vor. Der ungestillte Hunger schlug um in zügellose Wut.
    „Du wirst es sagen", keuchte er, „so oder so - freiwillig oder unter Schmerzen."
    Mit diesem Versprechen griff er blitzschnell zu, und als er gleich darauf zurücktrat, stand ich mit entblößtem Oberkörper da. Er betrachtete mich, und zur Raserei gesellte sich raubtierhaftes Begehren.
    „Sag es!"
    Er hob den Arm, und die Peitsche in seiner Hand begann drohend zu knistern. Nur ein Wunder konnte mich noch retten.
    „Sag es! Sag es jetzt, oder du wirst mich auf den Knien anflehen, mich lieben zu dürfen!" Er drohte und er bettelte. „Sag es!"
    In Erwartung dessen, was vor bevorstand, schloß ich die Augen. Und zugleich dröhnte der Bordlautsprecher los: Die Landung auf ISS 113 stand unmittelbar bevor.
    Malus ließ fluchend die Peitsche sinken. Seine nackte Hand wischte schmerzhaft über meine Brust.
    „Mein Pech, Prinzesschen . Ich werde benötigt. Es kann nicht lange dauern. Denk so lange an mich."
    Dann war er fort, und ich dachte an ihn und machte mir nichts vor.
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    10.
    Das Raumgebiet mit seinem unberechenbaren Wechsel von Zeit und Unzeit, von Unzeit und Zeit, durch das die brave SCOUT ihre einsame Bahn zog, gefiel mit immer weniger. Ich spürte, wie auch ich von diesem Hin und Her erfaßt wurde. Zunächst beeinflußte es die organischen Abläufe und äußerte sich in körperlichem Unbehagen wie Appetitlosigkeit und unerklärlicher Müdigkeit, gepaart mit nervöser Reizbarkeit, wobei das eine wie das andere im Handumdrehen umschlagen konnte in Heißhunger und unstillbaren Tatendurst. Und nicht minder ambivalent reagierte meine Psyche auf die Rivalität zweier grundverschiedener Ordnungen: sie reagierte chaotisch. Mal verzehrte ich mich vor Sehnsucht nach der Erfüllung meiner Träume, die irgendwann aufgehört hatten, Gestalt anzunehmen und seitdem nur noch als der süße Schmerz eines unwiederbringlichen Verlustes durch meine Stimmungen zogen; ein anderesmal platzte ich plötzlich schier vor körperlicher Begierde und suchte mir Tamara als williges Objekt der Entladung und gab mich erst zufrieden, wenn ich unter mir ihr lustvolles Stöhnen vernahm.
    Und dann wieder gab es Momente, in denen mir ihr nackter Körper einfach nur als Augenweide und optischer Fixpunkt dienen mußte -um etwas zu haben, was mich ablenkte von dem, was es draußen nicht zu sehen gab. Denn immer, sobald ich das Cockpit betrat, hungerte es mich nach einem Inhaltspunkt für die Augen. Vergebens suchten Blick und Verstand in der Leere nach einem Maßstab für die zurückgelegten und für die bevorstehenden Entfernungen. Die unwandelbare Leere vor den Fenstern drückte auf das Gemüt. Allmählich begann ich mich zu fragen, ob es nicht klüger gewesen wäre, auf die Warnungen des Großmeisters zu hören. Vielleicht gab es die Erde nicht mehr. Vielleicht hatte es die Erde nie gegeben. Vielleicht war sie seit je her für uns Kosmonen eine fromme Legende, Ersatz für das Fehlen aller Erklärungen: die Erfindung gerissener Seelenmasseure.
    Tamara mit ihrem sicheren Gespür für meine Gemütslagen wurde mir zunehmend unentbehrlicher. Und obwohl wir oft genug, nachdem wir es bis zur Erschöpfung getrieben hatten, auch mal ins Reden kamen, erfuhr ich nie, wer sie in Wirklichkeit war und woher sie stammte. Ich spürte zwar, daß sie nichts unversucht ließ, um mir auch dort näher zu kommen, wo ich auf Abstand hielt, doch eine innere Scheu ließ es nicht zu, daß ich sie genauer befragte. In der Schiffsführung kannte sie sich fast ebenso gut aus wie ich, und einer beiläufigen Bemerkung, die sie einmal fallen ließ, entnahm ich, daß sie irgendwann und irgendwo einen eigenen flinken Raumflitzer besessen und geführt hatte. An die Ambivalenz der Raumverhältnisse, die mir so arg zu schaffen machte, schien sie gewöhnt zu sein.
    „Das Beste an der Zeit", sagte sie einmal, „ist der Umstand, daß sie vergeht. Stell dir bloß vor:

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