Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
Ansuchen um einen Bankkredit wurde abgelehnt, und zwar mit der Begründung, er hätte sich übernommen, und der Kredithahn würde nun zugedreht. Seiner Frau, die im Landwirtschaftsministerium arbeitet, hat man auch ein Viertel weggekürzt. Dazu kommt, dass eine ihrer Töchter im Ausland studiert. Es war einfach zu viel auf einmal, da wusste er nicht mehr ein und aus und hat sich in die Tiefe gestürzt.«
»Woher weißt du das alles?«, wundere ich mich. Kein Polizeibeamter hätte, am Rande eines Nervenzusammenbruchs, umfassender recherchieren können.
»Gleich nach dem Unglück ist Frau Lykomitrou aus dem dritten Stock hochgekommen und hat mir alles erzählt.«
Schließlich gibt es für alles eine logische Erklärung. Und das ist umso nötiger, als unser Leben von Tag zu Tag unübersichtlicher wird. Frau Lykomitrou ist also hochgekommen, um bei Adriani Trost zu finden. Daraufhin haben sie sich gemeinsam so lange in die Sache hineingesteigert, bis schließlich alle beide zusammengebrochen sind.
»Versuch, ein bisschen zur Ruhe zu kommen und zu schlafen. Morgen sieht die Welt ganz anders aus«, sage ich ihr.
»Ab sofort lasse ich jedenfalls die Jalousien runter, damit ich die Wohnung gegenüber nicht sehen muss«, meint sie und fügt dann hinzu: »Was wird noch alles auf uns zukommen?«
»Unsinn!«, entgegne ich mit Nachdruck. »Jetzt übertreib mal nicht. Sind denn schon viele vor deinen Augen aus dem Fenster gesprungen?«
Dann lassen wir sie schlafen und gehen zusammen zurück ins Wohnzimmer.
»Sie hat schon recht«, meint Katerina, als wir uns gesetzt haben. »Da kommt noch einiges auf uns zu.«
»Mensch, Katerina«, ruft Fanis ärgerlich. »Du ziehst den Kopf ein und suhlst dich im eigenen Unglück. Es scheint fast, du genießt die allgemeine Misere.«
»Bist du vielleicht in Hochstimmung?«, gibt Katerina zurück.
»Nein, aber ich sage mir: Okay, schlucken wir die bittere Pille - die Einsparungen, die Kürzungen beim dreizehnten Monatsgehalt und bei den Renten, die Sozialversicherungsreform … Aber beim Leichenschmaus sind wir noch nicht angelangt, Souflaki können wir uns immer noch leisten!« Und etwas milder fügt er hinzu: »Komm schon, wir kriegen das geregelt, auch wenn schwere Zeiten kommen.«
Ich fühle mich erschöpft und außerstande, die Diskussion weiterzuführen. »Kinder, wollen wir uns nicht aufs Ohr legen?«, schlage ich deshalb vor. »Bis morgen früh haben wir uns wieder beruhigt und sehen alles mit anderen Augen.«
Die beiden brechen auf, und ich werfe noch einen Blick auf Adriani: Sie ist eingeschlafen. Ich kehre ins Wohnzimmer zurück, schalte den Fernseher ein und stelle auf leise. Die Nachrichtensendung hat begonnen, und ich warte ab, bis zwischen Rentenreform, Untersuchungskommissionen und Arbeitsniederlegungen irgendwann auch Gikas’ Presseerklärung zu den beiden Morden gebracht wird.
Gikas ist von der üblichen Reportermeute umgeben und versucht, die fehlenden polizeilichen Erkenntnisse durch verschiedene Gemeinplätze zu kaschieren wie »Die Nachforschungen stehen noch ganz am Anfang« oder »Wir ermitteln in alle Richtungen«. Im Ausdruck »in alle Richtungen« findet auch die Terrorismusvariante Platz. Stathakos jedenfalls ist nicht an seiner Seite, vielleicht weil Gikas das Gleichgewicht zwischen uns beiden halten will oder weil er der Option eines Terroranschlags keine allzu große Bedeutung verleihen möchte.
Ob es Gikas passt oder nicht, die Journalisten stürzen sich auf die Terrorthese. Denn ihrer Meinung nach liegt dort der Hund begraben. Sie beginnen, ihn mit Fragen zu bombardieren, auf die er keine Antwort weiß.
»Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Attentäter aus dem Ausland stammt?«, fragt eine Blonde mit Pferdeschwanz, großzügig ausgeschnittenem T-Shirt und Minirock.
»Noch ist gar nicht sicher, dass es sich überhaupt um einen politischen Mord handelt«, entgegnet ihr Gikas.
»Ich frage nach, weil die Mordwaffe ein Schwert ist«, beharrt die Blonde. »Schwerter sind in Griechenland aus der Mode gekommen, und Räuberhauptleute oder Freiheitskämpfer gibt’s schon lange nicht mehr«, fügt sie hinzu und lacht als Einzige über ihren Witz.
Sotiropoulos wirft ihr einen säuerlichen Blick zu. Er sitzt ganz am Rand und verfolgt das Gespräch kommentarlos. Selbst auf dem Bildschirm springt ins Auge, dass er sie nicht leiden kann. Nun kann er sich nicht länger beherrschen und mischt sich in die Diskussion.
»Glauben Sie allen Ernstes, diese
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