Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
kennenzulernen. Der stellvertretende Leiter der Antiterrorabteilung ist gut fünfzehn Jahre älter und wirkt etwas weniger offenherzig als der Inspektor.
Wir nehmen die übrigen Plätze um den Konferenztisch ein, und der Polizeipräsident fordert Stathakos auf, Bericht zu erstatten. Das allein deutet bereits die Stoßrichtung der Besprechung an und rechtfertigt Gikas’ schlimmste Befürchtungen.
Was ich an Stathakos vorbehaltlos anerkennen muss, sind seine tadellosen Fremdsprachenkenntnisse. Auch wenn ich ihn als Kollegen wenig schätze, so gehört er doch in puncto Fremdsprachen zur Spitzenklasse, während meine Bemühungen amateurhaft bleiben. Wenn der Polizeipräsident die Briten durch das weltgewandte Auftreten der heimischen Polizeikräfte beeindrucken wollte, so ist ihm dies gelungen.
Als Stathakos mit seinem Bericht zu Ende kommt, warten wir schweigend den Kommentar der Briten ab. Nach einem kurzen Blickkontakt überlässt Cyril Benson, der Inspektor, Charles Conolly, dem Vizedirektor der Terrorismusabwehr, das Feld. Der beginnt zurückhaltend und abwägend: »Wären diese Morde in London geschehen, würde man jeden terroristischen Zusammenhang ausschließen. Doch es gibt gewiss Unterschiede zwischen Griechenland und Großbritannien«, fügt er hinzu.
Dann wendet er sich an den Minister. »Korrekterweise haben Sie Amtshilfe angefordert«, sagt er lächelnd auf Englisch.
»Wir sind stets an einer guten Zusammenarbeit interessiert«, entgegnet der Minister geschmeichelt - ganz so, wie es Gikas vorausgesehen hat.
Das einzig Interessante an dem ganzen Gespräch ist folgende Beobachtung: Von Satz zu Satz plustert sich Stathakos stärker auf, da Conolly seine Argumente Wort für Wort wiederholt. Er bringt Beispiele aus der Praxis der Terror-Organisation »17. November«, um uns zu überzeugen, dass gezielte Attentate auf konkrete Personen der Vorgehensweise der griechischen Szene entsprechen.
Kein Widerspruch regt sich. Weder von Seiten des Inspektors, der seinem Kollegen die Initiative überlassen hat, noch von Seiten der griechischen Teilnehmer, die ohnehin mit einer Kopfwäsche gerechnet haben. Der Einzige, der Zweifel äußert, ist Gikas.
»Ja, aber die jüngere Terroristengeneration greift eher zu blinden Anschlägen«, sagt er in einem Englisch, das sich auf demselben amateurhaften Niveau wie meines bewegt. Dann wendet er sich an Stathakos: »Nicht wahr?«, fragt er.
»Yes, it’s true«, erwidert Stathakos halbherzig.
Conolly bemerkt hingegen, es könnte sich eine neue Gruppierung formiert haben und in derselben Weise wie der »17. November« zuschlagen. Sein Hauptargument dabei ist das fehlende Bekennerschreiben, was für eine noch unbekannte Terrororganisation spreche.
»Möglicherweise entspricht dieses >D<, das den beiden Opfern an die Brust geheftet wurde, einem Bekennerschreiben«, untermauert Stathakos seine Argumentation.
»It’s possible«, antwortet Conolly.
»Und was könnte dieses >D< bedeuten?«, frage ich in meinem rudimentären Englisch.
»Anything… Death… Destruction… Delete… Anything.«
Tod, Zerstörung, Auslöschung: Diese Erklärung scheint mir weit hergeholt.
»Als Briefkopf auf einem Bekennerschreiben könnte ich das >D< noch nachvollziehen. Aber hier handelt es sich um einen einzelnen Buchstaben an der Brust der Opfer. Das könnte auch das Markenzeichen eines Psychopathen sein.«
Conolly würdigt mich keiner Antwort. Benson, der Inspektor vom M15, schaltet sich zum ersten Mal in die Unterhaltung ein: »Sie können sich gar nicht vorstellen, wozu Terroristen heute fähig sind«, sagt er auf Englisch.
Stathakos wirft mir einen bissigen Blick zu. Der Minister und der Polizeipräsident mustern mich pikiert, da ich ihre Unterredung durch meine unqualifizierten Zwischenrufe zu stören wage. Nun gut, dann halte ich mich eben zurück.
Conollys Hauptthese lautet, der Killer müsse von außen eingeschleust worden sein. Er ist vollkommen überzeugt, es könne sich nur um einen Ausländer handeln, da die Griechen keine Spezialisten im Schwertkampf seien. Hingegen würden sich Einwanderer aus Ländern der Dritten Welt möglicherweise schon besser damit auskennen. Und solche Leute gebe es in Griechenland, genauso wie im übrigen Europa, wie Sand am Meer.
Der Einzige, der Conollys Predigt immer wieder unterbricht, ist Gikas. »Bislang hatten wir nur einheimische Terroristen«, bemerkt er mit holperiger Aussprache. »Noch nie haben von außen eingeschleuste Täter in
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