Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
Tür zum Krankenzimmer wird von einer privaten Pflegerin bewacht. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie mich.
»Ich möchte zu Herrn Dr. Ousounidis und Herrn Tsolakis.«
Sie hat nichts dagegen einzuwenden, und ich trete in das nicht sehr geräumige Einzelzimmer. Tsolakis hat sich aufgesetzt und den Rücken gegen die Kissen gestützt. Auf seinem Schoß hält er einen Laptop. Mit seiner rechten Hand hängt er über eine Kanüle am Tropf, doch der Schlauch ist so lang, dass er sie bequem bewegen kann. Er sieht schmal aus und wirkt niedergeschlagen, sein Gesicht ist blasser als bei unserem letzten Treffen bei ihm zu Hause. Sein Blick ist jedoch so lebhaft wie eh und je, und er lächelt mir aufmunternd zu. Fanis steht an seinem Bett und unterbricht die Unterhaltung.
»Ich lasse euch jetzt in Ruhe reden«, meint er, »aber macht nicht zu lange.«
Er sagt es leichthin, doch an seinem Blick, den er mir zuwirft, ist der Ernst der Lage abzulesen. Ich nehme auf dem Besucherstuhl neben dem Krankenbett Platz.
»Wie geht es Ihnen?«, frage ich, um das Gespräch in Gang zu bringen.
»Ich gewinne Zeit«, erwidert er, immer noch lächelnd. »Das konnte ich immer schon gut, früher als Sportler und jetzt auch. Aber als Sportler wollte ich möglichst schnell ans Ziel kommen, während ich als Patient versuche, das so lange wie möglich hinauszuzögern.« Da er merkt, dass mir keine Antwort darauf einfällt, ergänzt er: »Jedenfalls danke ich Ihnen, dass Sie gekommen sind.«
»Ich wollte Sie nicht nur besuchen, sondern auch um Ihre Hilfe bitten.«
»Das ist mir schon klar. Sie sind wegen Richard Robinson gekommen, habe ich recht?«
»Das stimmt.«
»Wissen Sie, was Hedgefonds sind, Herr Kommissar?«
»Gehört habe ich davon, genauso wie alle Griechen in letzter Zeit, aber ich weiß nicht genau, worum es dabei geht.«
»Stellen Sie sich vor, einige Leute werfen Geld in einen großen Topf. Ein paar andere übernehmen das Management der Summe, die sich im Topf angesammelt hat. Die Manager nennen das dann Investment, obwohl es keins ist.«
»Was ist es dann?«
»Ein Hasardspiel, Herr Kommissar, aber eins für Superreiche. Um bei den Hedgefonds mitzumischen, musst du über ein Investitionsvermögen von mindestens 30 Millionen Dollar verfügen. Die Hedgefonds funktionieren wie die Investmentfonds, tragen aber ein viel höheres Risiko, da ihnen etwas erlaubt ist, was den üblichen Fonds untersagt ist: der Handel mit Derivaten.«
Ich lasse Tsolakis ausreden, obwohl das alles, egal ob er von Investmentgesellschaften oder Hedgefonds spricht, chinesisch für mich klingt.
»Das in den Hedgefonds verwaltete Gesamtkapital erreichte 2008 eine Summe von 2,5 Billionen Dollar«, setzt Tsolakis seinen Nachhilfeunterricht fort. »Alle wollten mitzocken. So wie damals, Anfang 2000, erinnern Sie sich? Als alle an der Börse spekulierten? Es gab Leute, die einen Verbraucherkredit aufnahmen, nur um ihn an der Börse zu verjubeln. Genauso war es auch mit den Hedgefonds. Auch die Kleinanleger sind eingestiegen, die gerade mal fünftausend Dollar investieren konnten, daraufhin die Banken, die Versicherungsgesellschaften und sogar die Rentenkassen. Und da begann das Hasardspiel. Denn das ganze Finanzsystem begann nun in jene Derivate zu investieren, die ursprünglich als Sicherheitsinstrument dienten, damit die Anleger ihr Geld nicht verloren. So entstanden aus Hedgefonds neue Hedgefonds. Ihre Manager gingen nach und nach dazu über, sogar Kreditkapital einzusetzen, um die Rendite in die Höhe zu treiben. Wie nicht anders zu erwarten, haben die Sicherheitsinstrumente schließlich versagt, es wurde zur puren Zockerei, und eines Tages brach alles zusammen.«
Er holt tief Luft, um seine Kräfte zu sammeln, und fügt hinzu:
»Das ist wie Doping im Sport. Wenn man dort mit Anabolika anfängt, kommt man nicht mehr davon los. Du brichst erst mal den einen Rekord, und dann brauchst du stärkere Anabolika, um immer wieder neue Rekordzeiten zu laufen. Jedes Mal steigt das Risiko - nicht nur, dass man dich erwischt, sondern dass deine Gesundheit dabei draufgeht. Doch du klammerst dich an die Hoffnung, dass so etwas nur den anderen passiert und nicht dir. Genau so haben auch die Anleger und die Manager der Hedgefonds gedacht.« Er hält einen Augenblick inne und fügt dann ganz ruhig hinzu: »Glauben Sie mir, das sagt jemand, dessen Gesundheit durch Doping zerstört ist, Herr Kommissar.«
»Ja, aber haben denn die Leute, die ihr Geld reinstecken, keine
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