Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Perandonakos wird nicht reden, und wir haben nicht den geringsten Hinweis, um ihn unter Druck zu setzen. Wir haben die wesentlichen Erkenntnisse dem äußerlichen Erfolg geopfert, aber wir leben eben im Börsenzeitalter. Und der Börsenwert der aufsehenerregenden Festnahme eines Bodybuilders mit Kalaschnikows, Revolvern und Handgranaten ist viel höher als der Börsenwert der Festnahme eines alten Großvaters, so gefährlich er auch sein mag.
Am Lärm, der aus dem Treppenhaus ertönt, merke ich, daß die Journalisten auf dem Abmarsch sind. Ein paar Minuten warte ich noch, dann schlage ich den Weg zum Fahrstuhl ein. Wie es scheint, teilt auch er meinen Zorn und meine Empörung, denn er kommt auf der Stelle.
Gikas sitzt zusammen mit Stathakos in seinem Büro. Sie wenden sich um und blicken mich mit offenkundig unterschiedlichen Gefühlen an. Stathakos kann seine Befriedigung nicht verhehlen. Gikas hingegen habe ich auf dem falschen Fuß erwischt. Er hat nicht erwartet, daß ich heute abend noch auftauche, und dachte, er hätte die ganze Nacht lang Zeit, sich das Märchen zurechtzulegen, das er mir auftischen wollte.
»Es war eine Anweisung des Ministers«, sagt er, um mir zuvorzukommen. »Sobald ich ihn informiert hatte, gab er die Anweisung, die Festnahme sofort durchzuführen, weil er einerseits der Meinung war, es sei zu gefährlich zu warten, und er andererseits den Schaden der Fernsehsender begrenzen wollte.«
Ich sage nichts, doch wie durch ein Wunder klart mein Denkvermögen wieder auf.
»Der Einsatz wäre ohnehin mit Hilfe der Antiterroreinheit abgelaufen«, fährt Gikas fort, als er sieht, daß ich nicht reagiere. »Eine einfache Festnahme wäre in Perandonakos' Fall zu risikoreich gewesen.«
»Warum haben Sie es vor mir geheimgehalten?« frage ich ganz ruhig. »Hätten Sie mich nicht informieren müssen, und sei es auch nur der Form halber?«
»Ich wollte Sie im nachhinein informieren, weil ich weiß, daß Sie Einwände gehabt hätten, und wir durften keine Zeit mit fruchtlosen Diskussionen verlieren. Ich kenne Sie: Wenn Sie sich in etwas verrannt haben, dann ändern Sie durch nichts Ihre Meinung. Jedenfalls habe ich in der Presseerklärung an die Journalisten erwähnt, daß die Festnahme dank Ihrer Ermittlungen zustande gekommen ist.«
Sein Gesicht strahlt, da er annimmt, daß ich mich dadurch geschmeichelt fühle. Nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit müßte er eigentlich wissen, daß mich Lobhudelei kalt läßt. Deshalb bleibe ich auch auf meinem Posten und Dienstgrad sitzen.
»So haben wir die Gelegenheit versäumt, den eigentlichen Urheber zu fassen«, sage ich.
»Das habe ich dem Minister auch gesagt, und er hat mir geantwortet, wir könnten es nicht zulassen, daß wegen eines alten Großvaters ein Mörder frei herumläuft und die Werbebranche Riesenverluste einfährt.«
»Keine Sorge, ich weiß, wie man solchen Typen die Zunge löst«, mischt sich Stathakos voller Selbstbewußtsein ein.
»Wie willst du sie ihm lösen, Stathakos? Du hast keinerlei Indiz, um ihn mit dem Alten in Verbindung zu bringen. Wie willst du ihn also unter Druck setzen? Willst du ihn foltern? Die Zeiten sind vorbei. Der letzte, der in der Bouboulinas-Straße gefoltert hat, sitzt jetzt in einem Altenheim in Nikea und quält das Pflegepersonal.«
»Wir haben die Luger gefunden«, wendet Gikas ein. »Er soll uns sagen, wo er sie herhat. Luger-Pistolen gibt es nirgendwo mehr in ganz Griechenland, haben Sie doch festgestellt.«
»Er wird Ihnen erzählen, daß er sie von seinem Vater oder von seinem Onkel bekommen hat oder daß er sie während einer Deutschlandreise in einem Antiquitätenladen gefunden hat.«
»Schon gut, stell dich nicht so an«, meint Stathakos zu mir. »Hannibal Lecter wird uns nicht entgehen. Was soll ein griechischer Großvater noch groß anstellen?«
»Wie man's nimmt. Ich wollte nicht nur die ausführende Hand, sondern auch den Kopf, der dahintersteckt. Kann sein, daß Sie beide das anders sehen.«
»Der Einsatz jedenfalls lief wie am Schnürchen«, erklärt Stathakos voller Stolz. »Das neue Werbezeitalter hat mit einer Bombenwerbung für die Polizei angefangen.«
»Da hast du ja was von der Marine gelernt«, sage ich und trete aus dem Büro.
Mir ist bewußt, daß mein Nadelstich Gikas mehr schmerzen muß als Stathakos, aber selbst das ist nicht sicher.
Diese ganze Geschichte hat auch ihr Gutes, denke ich mir
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