Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
gegenüberliegenden Bürgersteig haben sich Beamte der Antiterror-einheit in Einsatzkleidung und mit Maschinenpistolen aufgestellt. Die Kamera fährt langsam zu den Dächern der umliegenden Häuser hoch und zoomt die Scharfschützen heran, die das Haus in der Eleftheroudaki-Straße anvisieren. Es sind Stathakos' übliche spektakuläre Tricks.
Am rechten unteren Rand des Bildschirms öffnet sich ein Fenster, und der Korrespondent des Senders erscheint.
»Gibt es irgend etwas Neues, Manos?« fragt die Moderatorin den Korrespondenten.
»Der Einsatz war durch und durch erfolgreich, Eleni. Der Streifenwagen, der Perandonakos zum Polizeipräsidium Attika bringen wird, hat sich vor kurzem auf den Weg gemacht. Nun kehrt wieder Ruhe in der Straße ein.«
»Können Sie uns den Ablauf des Einsatzes im einzelnen erläutern?«
»Die Polizei hatte das Haus seit dem Mittag unauffällig überwacht. Indessen bereitete im Polizeipräsidium die Abteilung für Terrorismusbekämpfung unter der Leitung von Loukas Stathakos den Einsatz detailliert vor. Die Einheiten der Antiterrorabteilung hatten sich langsam und unauffällig in der Umgebung verteilt.«
Auf dem Bildschirm erscheint ein Plan von den Örtlichkeiten, der zeigt, wie sich die Männer der Antiterroreinheit im Umfeld der Eleftheroudaki-Straße postierten. »Kaum war Perandonakos nach Hause zurückgekehrt, stürmte die Antiterroreinheit in Sekundenschnelle die Wohnung, und er wurde ohne jede Gegenwehr festgenommen. Übrigens stieß man in Perandonakos' Wohnung auf ein ganzes Arsenal von Kalaschnikows, Pistolen und Handgranaten.«
Den weiteren Unsinn warte ich nicht mehr ab. Ich laufe ins Schlafzimmer und beginne mich anzuziehen. Innerhalb von drei Minuten bin ich abmarschbereit. »Ich fahre ins Präsidium, warte nicht mit dem Essen auf mich«, rufe ich Adriani im Vorübergehen zu und stürme auf die Straße, bevor sie anfängt, Fragen zu stellen.
Mein Kopf dröhnt, als ich in den Mirafiori steige. Ich sehe keinen Grund dafür, daß sie den Einsatz hinter meinem Rücken durchführen mußten. Die Festnahme eines Mörders gehört zu meinen Befugnissen, und Gikas kann sie nicht einfach einem anderen übertragen. Gut, vielleicht stuft er Perandonakos als gemeingefährlich ein und rief deshalb die Antiterroreinheit auf den Plan. Aber er hätte mich zumindest informieren und am Einsatz beteiligen müssen.
Im Grunde weiß ich natürlich, warum er mich umgangen hat. Er wollte keine Zeit durch eine tagelange Überwachung verlieren, sondern rasch zum Ziel kommen. Daher hat er alles klammheimlich mit Rambo Stathakos abgemacht.
Als ich mit getrübtem Blick und Denkvermögen beim Präsidium ankomme, fahre ich schnurstracks in die fünfte Etage hoch, wo Gikas' Büro liegt. Sobald ich aus dem Fahrstuhl trete, fallen mir die Reporter und Kameraleute ins Auge, die kaum mehr in sein Büro passen, und mir wird klar, daß er gerade eine Presseerklärung abgibt. Da tauche ich lieber erst auf, wenn er fertig ist, um ihn von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Koula ist gegangen. Offenbar ist man auch sie losgeworden, aus Angst, sie könnte mir etwas zuflüstern, weil alle ihre Sympathie für mich kennen.
Ich trete wieder in den Fahrstuhl, der in der vierten Etage anhält, wo Stavridis zusteigt. Bei meinem Anblick hebt er verzagt die Hände.
»Tut mir leid, Kostas«, sagt er. »Als ihr mit Andonis aus der Eleftheroudaki-Straße zurückgekommen seid, war es schon beschlossene Sache. Ich habe es dir nur nicht gesagt, weil es Gikas' Anweisung war und ich zu Gehorsam verpflichtet bin. Wir kennen uns schon so lange, ich wollte nicht, daß du glaubst, ich hätte dich verschaukelt.«
»Ich danke dir, Charis«, sage ich zu ihm und steige aus.
Ich werfe einen Blick in Vlassopoulos' und Dermitsakis' Büro, das ich leer vorfinde. Auch sie hat man im unklaren gelassen. Ich setze mich, lasse jedoch meine Bürotür offenstehen, um die vorüberziehenden Reporter und Aufnahmeteams zu hören. Ich versuche, meine Gedanken und Argumente Gikas gegenüber zu ordnen, doch das erweist sich als unmöglich. Mein Kopf liegt schwer in meinen Händen, und ich spüre, wie sich darin völlige Leere breitmacht. Der einzige Gedanke, den ich fassen kann, ist folgender: Mit der Festnahme haben wir die Möglichkeit verspielt, den Urheber der Verbrechen zu fassen, der Perandonakos die Luger zugespielt und zur Tat angestiftet hatte. Er kann nun ruhig schlafen, denn
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