Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
ihr zwar nie direkt gesagt, aber wir hatten unzählige Male über meinen Traum gesprochen, und sie wußte davon.
»Findest du, daß ... die Abgeschiedenheit der Wissenschaft besser zu dir paßt?« Ich beiße im letzten Augenblick die Zähne zusammen und spreche von »Abgeschiedenheit« und nicht von »Mief«.
Die Worte gehen ihr nur langsam über die Lippen, als müßte sie erst nach ihnen suchen. »Im Zuge der Doktorarbeit habe ich festgestellt, daß mir die Forschung Spaß macht. Und da mich der Professor für Verfassungsrecht dazu aufforderte, meine Dissertation in einem Postgraduiertenkolleg vorzustellen, ist mir klargeworden, daß mir auch das Unterrichten Spaß macht.« Sie macht eine kurze Pause und fährt dann fort: »Was erwartet mich als Richterin? Ein Leben lang werde ich mich mit ungedeckten Schecks, Veruntreuungen und Scheidungen herumplagen und geduldig auf meine Beförderung ans Oberlandesgericht warten oder es darauf ansetzen, mich zum Obersten Verwaltungsgericht hochzudienen. Und auch das gelingt mir nur, wenn ich Glück habe und eine der wenigen Frauen bin, die auf diese Posten gelangen.«
»Ja, aber ist ein Richtergehalt nicht viel höher als ein Professorengehalt, Katerina?« fragt Adriani.
Katerina zuckt mit den Schultern. »Danach habe ich mich nicht erkundigt, aber ich nehme an, in den höheren Rängen wird das Richtergehalt viel höher sein.«
»Nach jahrelangem mühseligen Studium willst du den schlechter bezahlten Posten nehmen?« Adrianis Hausverstand begreift nicht, wie es möglich sein kann, ein längeres Studium und ein niedrigeres Gehalt zu wählen.
Nebenbei gesagt verstehe ich das auch nicht. »Was meinst du denn?« frage ich Fanis, der sich bislang an der Diskussion nicht beteiligt hat.
Fanis hebt verlegen die Arme hoch. »Ich meine, sie muß selbst entscheiden. Bei solchen Fragen spielt Geld manchmal die Hauptrolle und manchmal gar keine«, fügt er mit einem Blick auf Adriani hinzu. »Nachdem ich mein Jahr als Landarzt hinter mir hatte, war für mich klar, daß ich im Krankenhaus arbeiten möchte. Als ich das meinen Eltern eröffnete, ist für sie eine Welt zusammengebrochen. Sie hatten sich eine gutgehende Praxis in Volos oder Almyros für mich erträumt. >Warum eröffnest du nicht hier eine Praxis, mein Junge?< fragte mich Sevasti. >Weißt du, wie sehr man in Volos gute Ärzte braucht? Die Patienten werden Schlange stehen.« Ein Studienkollege hat in Velestino eine Praxis aufgemacht, und jetzt besitzt er zwei Wohnungen in Volos, ein Landhaus auf Thassos, und die Praxis gehört ihm auch. Er fährt einen BMW, seine Frau einen Audi, und sie haben sogar ein Motorboot. Alle naselang ruft er mich an: >Einer meiner Patienten hat ernste Probleme, kennst du einen guten Arzt?< fragt er mich. >Und was bist du?< antworte ich ihm dann. >Meine Weisheit endet bei den Medikamenten, die mir die Vertreter der Pharmaindustrie bringen«, erklärt er. >Ich scheffle Geld, aber wenn ein Patient wirklich ernstlich krank ist, suche ich einen guten Arzt, damit er mir nicht draufgeht und mir die Sache auf der Seele liegt.<«
Wir brechen in Lachen aus, denn Fanis kann gewisse Dinge locker und entspannt rüberbringen. Katerina greift nach meiner Hand und blickt mich zärtlich an.
»Bist du auch mit dem halben Kuchen zufrieden?« fragt sie.
»Wie meinst du das?«
»Ich nehme Petropoulos' Vorschlag an, reiche aber gleichzeitig meine Unterlagen bei der Richterschaft ein. Sowohl die Ausschreibung der Lektorenstelle als auch die Aufnahme in die Richterschaft werden ohnehin Jahre dauern. Sehen wir mal, was zuerst klappt. Dann können wir immer noch entscheiden.«
Das ist zwar nur der halbe Kuchen, doch im Zeitalter der Ratenzahlungen und Kreditkarten ist derjenige, der die ganze Summe in bar verlangt, reif für die Klapsmühle.
* 3
Die zweite Enttäuschung erwartet uns am nächsten Morgen und trifft vorwiegend Adriani. Wir sitzen in der Küche und trinken Kaffee. Eine süße und entspannte Lethargie hat uns nach der angsterfüllten Intensität der vergangenen Tage überkommen. Noch können wir nicht recht glauben, daß Katerina endgültig zu uns zurückkehrt. Irgendwie haben wir das Gefühl, in ein oder zwei Wochen fährt sie wieder, so wie in den vergangenen acht Jahren. Auch die Tatsache, daß sie ihre Wohnung in Thessaloniki geräumt hat, ändert nichts daran, nicht einmal, daß wir wissen, daß ihre Sachen im Lager des Umzugsunternehmens
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