Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Vlassopoulos, und dann vernehme ich eine fragende Stimme: »Bist du Charitos?«
Stimme und Tonfall nerven mich, daher greife auch ich zum Du. »Ja. Und wer bist du?«
Er überhört meine Frage und fährt im gleichen Stil fort: »Hast du vorgestern bei diesem Stutzer im Fernsehen behauptet, ich sei ein Serienmörder, der warme Brüder aufs Korn nimmt?«
Ich bin sprachlos, und zwar aus zwei Gründen. Erstens weil mir die Stimme vor Überraschung versagt, und zweitens weil ich nicht weiß, wie ich mich diesem Anrufer gegenüber verhalten soll. »Wer bist du?« wiederhole ich blöde, da mir nichts Besseres einfällt.
Und wieder kontert er ungerührt: »Was warme Brüder mit ihrem Podex machen, kümmert mich einen feuchten Dreck, du Hahnrei!«
»Es gibt zwei auf genau dieselbe Weise ermordete Homosexuelle«, sage ich milde und versuche die Beschimpfung zu überhören. »Was soll die Polizei denn sonst annehmen?«
»Haben dir diejenigen, die du verhört hast, nicht erzählt, daß ich sie gewarnt habe?«
Diese Neuigkeit trifft mich völlig unvorbereitet, und ich versuche, meine Überraschung zu meistern. »Nein. Wen hast du gewarnt?«
»Diese Agenturen. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen mit den Werbesendungen aufhören, weil ich sonst alle umbringe, die mit der Branche zu tun haben. Fotomodelle, Werbefachleute, Angestellte, alle zusammen und ohne Unterschied. Sagt also den einfachen Leuten da draußen die Wahrheit, sonst sag ich sie auf meine Weise.«
»Warum bringst du Leute aus der Werbebranche um? Was haben sie dir getan?«
»Nichts. Ich will nur, daß die Spots aufhören, das ist alles.«
»Schön. Sagst du mir jetzt, wer du bist, damit wir uns endlich kennenlernen?«
»Der Mörder des Großaktionärs«, entgegnet er und erstickt fast vor Lachen, bevor er den Hörer auflegt.
Na schön, sage ich mir. Bislang wußte ich von Serienkillern, daß sie Prostituierte, Schwule, Jungfrauen, Blondinen oder Dunkelhaarige töten... Serienkiller, die Leute aus der Werbebranche umbringen, kommen mir hiermit weltweit zum ersten Mal unter. Das kleine Griechenland hat wieder einmal die Nase vorn.
Dann will mir eine Sache nicht aus dem Kopf, die gestern Vlassopoulos über den Mörder gesagt hat: daß es sich anhöre, als sei er ein zahnloser Greis. Vielleicht kam es mir auch so vor, aber nicht nur das. Alle Zeugenaussagen haben bisher bestätigt, daß der Mörder jung und kräftig ist und die Statur eines Bodybuilders hat. Ja, aber welcher junge Mann verwendet heutzutage Ausdrücke wie »Stutzer«, »Podex«, »warmer Bruder« und »Hahnrei«? Der Wortschatz des Mörders paßt zur todbringenden Luger. Alle beide umgibt der Mief vergangener Zeiten. Doch der Täter ist jung und fährt eine Harley-Davidson Sportster 1200.
Als ich aus Gikas' Büro trete, finde ich Koula an ihrem Schreibtisch sitzend vor.
»Sagen Sie, Koula, können Sie mir eine Frage beantworten?«
»Nur raus damit, ich versuch's.«
»Kennen Sie einen jungen Mann zwischen fünfundzwanzig und dreißig, der Wörter wie >Stutzer<, >warmer Bruder< oder >Hahnrei< benutzt?«
Sie wirft mir einen komischen Blick zu, als übersteige die Frage ihr Fassungsvermögen: »Aber, wo leben Sie denn, Herr Charitos?«
Ihre Reaktion sagt alles. Ich begebe mich in mein Büro hinunter und rufe Vlassopoulos zu mir.
»Morgen früh um zehn will ich Petrakis von der ad-Hellas und Andreopoulos von der Firma Spot hier sehen. Und zwar offiziell - und nicht durch einen informellen Anruf - als Zeugen vorgeladen.« Vlassopoulos sieht mich befremdet an. »Sie haben Hinweise verheimlicht und die Ermittlungen verzögert. Ich hab's gerade herausbekommen.«
»Von dem seltsamen Anrufer?«
»Jawohl. Vom Mörder höchstpersönlich.« Ungläubig starrt Vlassopoulos mich an.
* 27
Zu Hause erwartet mich ein Familienrat, bestehend aus Katerina, Adriani und Fanis mit seinen Eltern, die heute ihren Abschiedsbesuch machen, da sie morgen nach Volos zurückfahren. Plaudernd sitzen sie um das Fernsehgerät. Was für Familienzusammenkünfte auf dem Dorf das Kohlebecken war, ist im modernen Haushalt der Fernseher. Im vorliegenden Fall ist er zwar eingeschaltet, doch keiner guckt hin. Die Familie unterhält sich über Katerinas Erlebnisse, die sich allerdings eher für das Kohlebecken eignen würden. Sevasti bekreuzigt sich und dankt Gott dem Herrn für sein Eingreifen, aufgrund dessen Katerina alles
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