Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
unbeschadet überstanden hat. Adriani erzählt von ihrer Votiv-gabe, mit der sie am 15. August, zu Mariä Himmelfahrt, nach Tinos pilgern will. Und Prodromos gibt bekannt, was er mit den Terroristen gemacht hätte, wäre er Premierminister. Die einzige, die nichts sagt, ist Katerina. Sie wendet nur jedem der Sprecher den Kopf zu, hört zerstreut zu und geht zum nächsten über. Es ist, als begreife sie die Worte gar nicht und folge rein mechanisch dem Klang der Stimmen.
Ich wünsche allen guten Abend und gehe zu Katerina. Ich beuge mich zu ihr hinunter und küsse sie aufs Haar. Sie erwidert die Zärtlichkeit nicht, hebt jedoch den Blick und wirft mir ein schwaches Lächeln zu.
»Wie geht es dir, mein Schatz?«
»Gut.« Die pflichtschuldige Antwort klingt nicht sehr überzeugend.
Ich heiße Prodromos und Sevasti willkommen und setze mich dann neben Adriani aufs Sofa.
»Den ganzen Tag lang hat sie keinen Bissen zu sich genommen«, sagt Adriani zu mir und fällt in die Rolle der Mutter zurück, die ihr Kind beim Vater anschwärzt. Scheinbar merkt sie es selbst, denn sie beeilt sich hinzuzufügen: »Diese Erschießung hat sie fix und fertig gemacht. Jetzt ist sie noch verzagter als vorher.«
Katerina zeigt keinerlei Reaktion, als spreche ihre Mutter von jemand anderem.
»Die Identität des Opfers hält man jedenfalls geheim«, bemerkt Sevasti.
»Entweder konnte man sie, was sehr wahrscheinlich ist, noch nicht feststellen, oder man hält sie geheim, um zuerst die Angehörigen zu benachrichtigen.«
»Kannst du nichts rauskriegen, Kostas?« fragt Prodromos.
»Wozu denn?« wirft Fanis dazwischen. »Was haben wir davon, wenn wir seinen Namen wissen? Werden wir ihm dann alljährlich zu Allerseelen eine Kerze anzünden?«
»Ist ja schon gut, reg dich nicht auf, war ja nicht böse gemeint«, sagt Prodromos, ganz überrascht vom aggressiven Tonfall seines Sohnes.
Der war mir auch schon im Telefongespräch mit ihm aufgefallen. Der alte, ruhige Fanis ist einem neuen gewichen, der bei jeder Kleinigkeit in die Luft geht. Wirkt Katerina nach der Erfahrung der Geiselhaft verloren und ausgepumpt, so tritt uns Fanis hitzig und streitbar entgegen.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, springt Fanis auf und packt Katerina am Arm. »Komm, wir gehen kurz raus an die frische Luft«, schlägt er ihr vor.
Seine Idee findet allgemeine Zustimmung, aber Katerina scheint zu zögern.
»Es wird uns guttun, wir haben es alle beide nötig«, beharrt Fanis.
Katerina läßt sich überzeugen und erhebt sich, doch im selben Augenblick beginnt die Nachrichtensendung. »Schauen wir zuerst die Nachrichten und gehen dann raus. Vielleicht bringt man etwas über die Erschießung.«
Fanis ist offenkundig enttäuscht, denn gerade dem wollte er zuvorkommen. Ob nun Fanis zu Recht eine böse Vorahnung hatte oder Katerina eine ungeschickte Entscheidung traf, zeigt sich gleich nach der Begrüßung durch die Nachrichtensprecherin.
»Wir beginnen mit den neuesten Erkenntnissen bezüglich der Geiselerschießung. Zunächst einmal wurde die Identität des Opfers festgestellt. Es handelt sich um Jose Ignacio Ferrer, einen aus Saragossa stammenden spanischen Staatsbürger.«
»Jose!« Katerina springt auf. »Ausgerechnet den unglücklichen, kranken Jose mußten sie umbringen? Was hat der arme Kerl ihnen denn getan?«
Katerinas Ausbruch übertönt einen Teil der Nachricht. Als wir zur Sendung zurückkehren, ist die Sprecherin zur nächsten Information übergegangen. »Es ist jedoch nicht sicher, sehr geehrte Zuschauer, ob wir es überhaupt mit einer Erschießung zu tun haben. Auf den ersten Blick zumindest zieht die gerichtsmedizinische Untersuchung den Schluß, das Opfer sei zum Zeitpunkt der Erschießung bereits tot gewesen. Hier die Meinung des Gerichtsmediziners.«
Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo ich dem unbekannten »Modelmörder« am liebsten um den Hals fallen würde, wenn ich ihn vor mir hätte: Als die Spannung am größten ist, brechen die Werbespots über uns herein.
Wir nutzen die Kunstpause, um uns verwundert anzublicken.
»Sie haben einen Toten erschossen? Wie soll das denn gehen?« wundert sich Sevasti.
Prodromos wendet sich an mich, den Fachmann unter den Anwesenden: »Was meinst du, Kostas?«
»Keine Ahnung. Bald wissen wir's.«
Plötzlich fällt mir Sotiropoulos ein, dem die Art und Weise seltsam vorkam, mit der die
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