Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Heimatdorfes. Ich blicke mich suchend um, und obwohl ich ihre Stimme deutlich höre, kann ich Katerina nirgends entdecken. »Papa, wach auf, Papa!« Im Traum irre ich durch den Wald, als neben mir Adrianis besorgte und ängstliche Stimme ertönt: »Was ist passiert, mein Schatz? Was ist los mit dir?« Da schlage ich die Augen auf.
Katerina beugt sich in Nachthemd und Bademantel über mich und rüttelt sanft an meiner Schulter. »Wach auf, Papa. Eine Befreiungsaktion auf der El Greco!«
Adriani und ich fahren im selben Augenblick in die Höhe.
»Wann?«
»Gerade eben. Der Minister für öffentliche Ordnung und der Verteidigungsminister haben Erklärungen abgegeben.«
»Und woher weißt du das?« fragt Adriani.
»Ich habe ferngesehen, weil ich nicht schlafen konnte.«
Die ganze Familie stürzt zum Fernseher. Zum ersten Mal sehen wir die El Greco hell erleuchtet. Auf der rechten Seite des Bildschirms steht die Aufschrift »Unternehmen Geiselbefreiung«. Der Kai ist von der Hafenbehörde und der Polizei abgeriegelt worden. Hinter dem Kordon stehen einige Aufnahmeteams und beobachten das Schiff. Journalisten kann ich nirgendwo erkennen.
»In diesem Augenblick setzt sich die El Greco in Bewegung«, ertönt die Stimme des Moderators. Und tatsächlich sieht man die El Greco langsam aus dem Golf von Chania auslaufen.
Nun taucht die Einfahrt der Militärbasis von Souda auf dem Bildschirm auf. Die wartenden Journalisten haben sich dort versammelt. Die Kamera sucht und findet Sotiropoulos.
»Hier in der Militärbasis steht alles für den Empfang der El Greco mit den noch verbliebenen Passagieren bereit«, bemerkt Sotiropoulos. »Vorläufig hat man uns jedoch den Eintritt verwehrt, Thanos.«
»Weiß man, ob es durch die Befreiungsaktion Tote oder Verletzte gegeben hat? Und wie viele es sein könnten?«
»Auch zu dieser Frage gibt es leider keinerlei Mitteilung.«
»Die öffentliche Berichterstattung scheint den zuständigen Behörden nicht gerade am Herzen zu liegen«, bemerkt der Moderator spöttisch.
»Bislang jedenfalls nicht«, bestätigt Sotiropoulos.
»Dann schauen wir uns einmal an, wie der Befreiungsschlag durch die Kampfschwimmer an Bord abgelaufen ist«, sagt der Moderator, da er kein anderes Zuckerchen servieren kann. »Nach der offiziellen Erklärung des Verteidigungsministeriums hat sich um Viertel nach drei Uhr morgens eine Einheit von Kampfschwimmern der Marine dem Schiff genähert. Zuvor hatten die über der Fähre kreisenden Helikopter festgestellt, daß die Terroristen auf dem Heck keine Wachposten plaziert haben. Und dort haben die ersten Kampfschwimmer die El Greco geentert.«
Auf dem Bildschirm erscheint ein Trickfilm mit Schiffchen und kleinen Menschenfiguren, der den Ablauf der Aktion darstellt. Die Stimme des Moderators fährt mit den Erläuterungen fort.
»Die Kampfschwimmer konnten nur mit leichter Bewaffnung an Bord gehen. Zunächst haben sie die Brücke besetzt und dort einen der Terroristen festgenommen. Nachdem sie ihn gezwungen hatten, seine Kampfgenossen unter einem Vorwand herbeizurufen -« Mit einemmal hält er inne und horcht auf. »Wir unterbrechen kurz, da unser Korrespondent in Souda Neuigkeiten zu vermelden hat.«
Die Reporter stehen immer noch außerhalb der Einfahrt versammelt, was bedeutet, daß man ihnen den Zutritt zur Militärbasis noch nicht gestattet hat. Sotiropoulos steht mit dem Mikrofon in der Hand im Vordergrund.
»Aus den ersten Hinweisen, die - nota bene - noch unbestätigt sind, weil wir noch auf die offizielle Stellungnahme warten, also aus diesen ersten Hinweisen, die uns zur Verfügung stehen, geht hervor, daß es zwei Tote an Bord gegeben haben muß. Der eine soll einem Herzschlag erlegen sein. Wie es scheint, ist er aufgrund der Gewehrsalven in Panik geraten, da er annehmen mußte, die Terroristen würden nun weitere Geiseln hinrichten. Der zweite wurde von einer Kugel getroffen, als ein Terrorist Widerstand leistete, worauf ein Schußwechsel folgte. Es ist noch nicht bekannt, ob die Kugel, die ihn getroffen hat, aus der Waffe des Geiselnehmers oder aus der Waffe eines der Kampfschwimmer stammt.«
»Wann genau wird die El Greco in Souda erwartet?«
»Von Minute zu Minute.«
Katerina greift nach der Fernbedienung und stellt die Lautstärke leiser. »Noch mehr Todesopfer«, bemerkt sie kopfschüttelnd.
»Diese Unmenschen! Was für ein sinnloser Tod!«
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