Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Harley aufzutreiben, bevor der Schwulenkiller noch ein paar Brüder mit einer Kugel mitten in die Stirn hinrichtet.
Das Klingeln des Telefons unterbricht mich in meinen Überlegungen, und ich höre Katerina am anderen Ende in höchster Hysterie schreien: »Sie haben ihn umgebracht, Papa!«
»Wen?« frage ich blöd, obwohl ich es sofort begriffen haben müßte.
»Wie angekündigt haben sie es getan! Sie haben den ersten umgebracht!«
»Wann?«
»Gerade eben, sie haben ihn ins Meer geworfen.« Sie atmet durch und schreit noch lauter: »Könnt ihr sie nicht aufhalten? Sitzt ihr nur da und schaut untätig dabei zu, wie sie Unschuldige töten?«
Abrupt legt sie auf, und ich renne zum Fahrstuhl. Koula sieht mich an ihrem Schreibtisch vorbeistolpern und springt auf.
»Was ist passiert?« fragt sie angstvoll.
»Sie haben die erste Geisel erschossen.«
»Die Schweine... die Schweine...«, stammelt sie, während ich in Gikas' Büro stürze und den Fernseher einschalte.
Das bekannte Panorama breitet sich vor meinem Blick aus: die im Hintergrund liegenden Thodorou-Inseln und die im Vordergrund ankernde El Greco. Auf der Küstenstraße sind mit Schlagstöcken und Schilden ausgerüstete Sondereinheiten aufgestellt worden, um die Menge daran zu hindern, zum Hafenkai vorzudringen. Ein Motorboot des Hafenamtes hat Kurs auf die El Greco genommen.
Die Kamera schwenkt von den Schaulustigen zu Sotiropoulos, der mit dem Rücken zum Hafenpanorama mit der El Greco steht.
»Die Art und Weise der Geiselerschießung ist nach demselben Muster wie bei dem Albaner erfolgt: Tötung durch eine Pistole und nachfolgende Entsorgung der Leiche über Bord«, bemerkt der Moderator.
»Ja, obwohl etwas an der zweiten Erschießung nicht ganz ins Bild paßt.«
»Was meinen Sie?«
»Das Opfer. Der Mann sah aus, als hätten sie ihn stützen oder gar herbeischleifen müssen. Sollten ihn einige wenige Tage dermaßen entkräftet haben? Das kommt mir unwahrscheinlich vor.«
»Unterschätzen Sie die Todesangst nicht, Christos. Vermutlich haben ihm die Beine den Dienst versagt, und so mußten ihm die Terroristen unter die Arme greifen.«
»Wahrscheinlich wird es das sein«, gibt Sotiropoulos klein bei.
Offenbar hat das Motorboot der Hafenbehörde die Aufgabe, die Leiche aus dem Meer zu fischen. Das Bild springt um, und vor meinen Augen rollt die Erschießung der zweiten Geisel per Videoaufnahme ab. Zwei Vermummte schleppen einen Mann mit buntem Hemd herbei. Sein Kopf ist zur Seite gesunken, als hätte man ihn betäubt. Als sie an der Reling ankommen, übernimmt es der eine der beiden Vermummten, das Opfer zu stützen. Der andere hat nun die Hände frei, zieht eine Pistole, tritt hinter den Mann und schießt ihn in den Schädel. Er steckt die Waffe wieder ein, packt das Opfer erneut und zwar diesmal an den Beinen, und gemeinsam werfen sie die Leiche über Bord.
»Schweine... Mörder...!« schreit Koula außer sich. »Wer hätte das gedacht, daß Griechen so weit gehen würden!«
Ich mische mich nicht ein, sonst müßte ich beim Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Fraktionen im griechischen Befreiungskampf gegen die Osmanen anfangen und mit dem Bruderkrieg nach dem Zweiten Weltkrieg fortfahren, nicht ohne die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Königstreuen und Venizelos-Anhängern, die Zeit unter deutscher Besatzung, die Gefechte zwischen der linken Griechischen Volksbefreiungsarmee elas und dem rechtsnationalen Republikanischen Bund edes zu vernachlässigen. Und das würde eindeutig zu weit führen. Sotiropoulos hingegen muß ich zustimmen. An der Erschießung wirkt irgend etwas seltsam, und der Grund liegt beim Opfer. So-sehr sich ein Mensch auch fürchtet, er kann nicht dermaßen entkräftet sein, außer er hat entweder durch Betäubung oder durch Gewalteinwirkung das Bewußtsein verloren. Das Bild der Geisel erinnert mich stark an die Gefangenen, die man nach der Folter in der Juntazeit in die Kellerlöcher der Bouboulinas-Straße schleifte.
Ganz in Gedanken versunken überhöre ich das Klingeln des Telefons. Koulas Stimme bringt mich wieder auf den Boden der Tatsachen.
»Herr Charitos, für Sie.«
Ich nehme das Gespräch in Gikas' Büro entgegen, und am anderen Ende höre ich Vlassopoulos sagen: »Herr Kommissar, der gestrige Anrufer ist wieder dran und möchte Sie sprechen.«
»Stell ihn durch.«
Ich warte auf die Verbindung durch
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