Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
nicht ganz einroste«, erläutert er mir in aller Ruhe. »Seit meiner Entlassung aus dem Militärdienst beschränkt sich mein strategisches Denkvermögen auf das Birimba-Spiel.« Er wirft einen Blick auf seine Frau, die gerade das Handy am Ohr hat. »Sehen Sie meine Frau da vorne? Wissen Sie, wie oft sie seit heute Morgen schon telefoniert hat?«
»Nein, woher denn auch?«
»Zehnmal mindestens. Und wissen Sie, warum? Um zu hören, ob ihr Schoßhündchen unter Einsamkeit leidet, weil sie es allein zurückgelassen hat.«
Er hält kurz inne, doch als er keine Antwort erhält, seufzt er nur: »Das Problem mit Ourania ist, dass sie immer davon geträumt hat, einen wie Lord Mountbatten zu heiraten. Und dann ist sie bei einem Etappenschwein wie mir gelandet. Können Sie sich das Zusammenleben zwischen einem Etappenschwein und einer Möchtegern-Lady vorstellen, Kommissar? Bei ihrem Schoßhündchen findet sie zumindest ein wenig von Mountbattens Flair.«
Ich weiß zwar nicht, was ich ihm darauf antworten soll, doch er ist mir auf jeden Fall um einiges sympathischer geworden. Adriani hat sich wenigstens keiner Selbsttäuschung hingegeben, von Anfang an wusste sie, woran sie mit mir war: »Kostas Charitos, griechischer Bulle«. Und sie hat sich nicht nur mit der Wahrheit abgefunden, sondern sie ist sogar stolz darauf.
Als wir in einem Cafe mit Blick auf den Bosporus haltmachen, von dem es heißt, dort bekomme man den besten Tee der Stadt, gehe ich auf Adriani zu und flüstere ihr ins Ohr: »Ist unser Familienleben noch zu retten?« Ich sage es halb im Scherz, befürchte aber gleichzeitig, die Frage könnte sich wirklich stellen.
Sie blickt mich überrascht an, dann steuert sie auf einen leeren Tisch zu, damit wir uns unterhalten können. »Wie kommst du denn auf den Gedanken?«, fragt sie mich. »Du hast manchmal Ideen...«
»Was soll ich sonst sagen? Wir reden nicht mehr mit Katerina, sie hält sich ihrerseits von uns fern, und jetzt gehen wir beide uns auch noch aus dem Weg... Sieht doch nach Auflösung der Familienbande aus, oder?«
Sie antwortet nicht sofort, sondern seufzt tief, was auch als Zustimmung gedeutet werden könnte. »Vielleicht haben auch wir falsch reagiert. Möglicherweise hätten wir lieber beide Augen zudrücken sollen, als uns stur zu stellen.«
»Wir haben uns ein bisschen ungeschickt verhalten. Wir wissen eben immer noch nicht, wie wir am besten mit Katerinas Widerstand umgehen.«
»Die Hauptschuld liegt bei mir. Ich bin ihr gegenüber zu weit gegangen.« Sie scheint dem Gedanken noch kurz nachzuhängen, dann kommt sie zum Schluss: »Aber es war doch vor allem wegen ihrer Schwiegereltern. Ich wollte nicht, dass sie ihr ewig vorhalten könnten, sie hätte auf eigene Faust eine Trauung ohne Pfarrer durchgesetzt. Weder ihr noch uns. Sie sind schon in Ordnung, nur eben aus der Provinz. Da kann man sagen, was man will, sie haben eben andere Vorstellungen.«
Meinem Einwurf, mit unseren Geburtsorten Siatista und Konitsa seien wir auch nicht gerade Hauptstädter, kommt sie zuvor: »Wir sind weggezogen, sie sind dageblieben. Das ist schon ein großer Unterschied. Darüber hinaus habe ich an deine Lage gedacht. Wie solltest du das deinen Kollegen und Gikas bloß erklären...« Nach einer kurzen Pause fragt sie geradeheraus: »Meinst du, ich sollte über meinen Schatten springen und Katerina anrufen?«
»Lass lieber. Soll sie mal die Initiative ergreifen. Vielleicht tut es uns allen gut, ein wenig Abstand zu gewinnen. Dann sehen wir auch klarer, wo wir Fehler gemacht haben.«
Gerade wollen wir uns vom Tisch erheben, als die Mouratoglou auf uns zutritt. »Wissen Sie, wie die Türken früher ihren Tee getrunken haben?«, fragt sie uns.
»Nein.«
»Nehmen Sie ein Stück Würfelzucker und legen Sie es sich unter die Zunge, Herr Kommissar.«
Meine generelle Abneigung gegen Experimente ist eine Berufskrankheit, weil man uns alle naselang einen neuen Minister vorsetzt, der uns als Versuchskaninchen benutzt. Doch ich möchte die Mouratoglou nicht vor den Kopf stoßen und tue, was sie verlangt.
»Und jetzt trinken Sie einen Schluck von Ihrem Tee.« Ich spüre, wie sich eine leichte, angenehme Süße in meinem Mund verbreitet. »Auf ähnliche Weise hat man früher auch den Raki getrunken. Nicht wie heute mit Eiswürfeln, als wäre es Whisky, sondern man nahm zuerst einen Schluck puren Raki und dann einen Schluck Wasser. Damals haben
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