Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
Kriminalobermeister meint, es gebe, so wie er die Sache einschätzt, noch keinen hinreichenden Tatverdacht in Bezug auf ein Gewaltverbrechen.«
      »Dann sagen Sie ihm, dass der Gerichtsmediziner bei der Obduktion des Bruders Spuren eines bestimmten Pflanzenschutzmittels gefunden hat. In neun von zehn Fällen, bei denen Frauen auf dem Dorf ihre Männer, ihre Schwiegereltern oder ihre Brüder umbringen, ist dieses Mittel ihre Waffe. Vor ein paar Jahren hat eine Frau das Gift in die traditionelle Pitta des heiligen Fanourios gemischt und so eine ganze Familie ausgerottet.«
      »Entschuldigung, aber das kann ich nicht übersetzen, Herr Kommissar.«
      »Was denn?«
      »Die Pitta des heiligen Fanourios, ich weiß nicht, wie man das auf Türkisch sagt.«
      »Dann sagen Sie einfach Pitta, damit es verständlich rüberkommt. Das ist nicht so wichtig.«
      Der Polizeibeamte hört sich an, was Vassiliadis ihm übersetzt, dann wendet er sich direkt an mich: »I want an international arrest Warrant«, sagt er auf Englisch, wohl mehr, um mich loszuwerden, als aus Überzeugung.
      »Bisher dachte ich, solche sturen Bullen gibt's nur bei unserer Truppe«, sage ich zu Vassiliadis. Dann wende ich mich an Murat. »Den internationalen Haftbefehl kriegen Sie, wenn Sie wollen«, radebreche ich auf Englisch und erhebe mich. Ich schüttle Murat förmlich die Hand, und wir treten hinaus...
      Vassiliadis geht ein paar Schritte, dann lehnt er sich an die Wand draußen vor der Polizeidirektion und schließt die Augen. »Einfach unfassbar«, flüstert er.
      »Was denn?«
      »Dass wir hier von Maria sprechen, als wäre sie eine gemeine Mörderin.«
      »Alle Indizien deuten in diese Richtung.«
      »Glauben Sie im Ernst, Herr Kommissar, dass sie diese Frau mit der Fanouropitta imitiert und ihren Bruder vergiftet hat?«
      »Nicht auszuschließen, dass sie damals in der Zeitung davon gelesen und sich später wieder daran erinnert hat.«
      »Das ist ausgeschlossen, denn Maria kann weder lesen noch schreiben. Sie hat keinerlei Schulbildung.«
      »Vielleicht hat sie es aus dem Fernsehen. Gibt es bei ihr zu Hause kein Fernsehgerät?«
      Darauf folgt ein kurzes Schweigen, dann meint Vassiliadis verlegen: »Keine Ahnung, bei ihr zu Hause bin ich nie gewesen. Ich wohne ja in Athen.« Den Nachsatz fügt er zur Rechtfertigung hinzu, die jedoch einer näheren Prüfung nicht standhält.
      »Wie soll ich das verstehen, Herr Vassiliadis? Jetzt, da Maria in Istanbul ist, sorgen Sie sich um ihr Schicksal, aber als sie in Drama lebte, haben Sie sie kein einziges Mal besucht?«
      »Einmal war ich schon dort, aber -«
      »Was aber?«
      »Ich bin mit ihrem Bruder nicht klargekommen. Ein ungehobelter und unhöflicher Mensch, der mit allen Nachbarn über Kreuz war und gegen die Hälfte von ihnen vor Gericht gezogen ist.«
      Nun beginnt mir aus seinen halbherzigen Aussagen etwas zu dämmern. »Also hat er sich auch mit seiner Schwester nicht gut verstanden?«
      Er lässt die Antwort in der Schwebe. »Ich glaube, es wäre richtiger, Ihnen Marias Geschichte von Anfang an zu erzählen«, meint er. »Kommen Sie, wir suchen uns einen Ort, wo wir uns hinsetzen können, denn dazu muss ich etwas ausholen.«
      Er hat es so eilig, mir die Geschichte zu erzählen, dass er mich gleich in die erste Konditorei führt, die auf unserem Weg liegt. Als ich an der Vitrine vorübergehe, bietet sich meinem Blick eine unendliche Vielfalt von Süßspeisen dar. Ich versuche standhaft zu bleiben und mich auf meinen Kaffee zu beschränken, doch ich merke, wie meine Vorsätze dahinschmelzen.
      »Was möchten Sie gerne?«, fragt mich Vassiliadis.
      »Wenn wir schon hier sind, dann etwas Süßes, oder?«, entgegne ich und versuche so, ihm die Verantwortung für meine Zügellosigkeit aufzubürden.
      Während sich Vassiliadis auf ein Glas Ayran beschränkt, bestelle ich Ekmek, und zwar nicht so wie in Griechenland, mit nur einer Schicht und Eis, sondern wie es hier üblich ist, mit zwei Schichten Süßbrot und Kaymak. Diskret wartet er ab, bis ich mein Dessert zu Ende gegessen habe, denn ich bin fest entschlossen, es bis zum letzten Bissen zu genießen. Ich klappe die beiden Scheiben auseinander, streiche den dicken Rahm auf die untere Schicht, pappe die andere Schicht obendrauf und mache ein süßes Sandwich daraus.
      Vassiliadis, der die Prozedur verfolgt hat, lacht auf: »Beeindruckend, was für ein orientalischer

Weitere Kostenlose Bücher