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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Istanbuler Griechen und Türken gleichermaßen mit dem Originalgeschmack begonnen, um ihn gleich darauf zu verhunzen.«
      Am frühen Nachmittag kehren wir ins Hotel zurück, und ich möchte mich vor dem abendlichen Flanieren ein Stündchen aufs Ohr legen, doch der junge Mann an der Rezeption macht mir einen Strich durch die Rechnung.
      »Sie haben Besuch.«
      Ich wende mich mit der Vorahnung um, einem Kollegen gegenüberzustehen, doch zu meiner großen Überraschung erkenne ich den Typen, den wir gestern Abend im Restaurant getroffen haben.
      »Guten Abend, Herr Kommissar. Erinnern Sie sich an mich?«
      »Aber natürlich! Der Herr aus der Taverne von gestern Abend!«
      Nachdem wir nun den Ursprung unserer Bekanntschaft eruiert haben, verstummt er und blickt mich verlegen an. »Es gibt da ein sehr großes Problem, und ich brauche Ihre Hilfe«, presst er hervor.
      »Inwiefern soll Ihnen ein griechischer Polizeibeamter helfen, der sich als Tourist und Privatmann in Istanbul aufhält?«
      »Können wir uns hinsetzen, damit ich Ihnen die Sache in Ruhe erklären kann?«
      Ich bedeute Adriani, die mich am Fahrstuhl erwartet, alleine hochzufahren, und folge dem Unbekannten mit den guten Manieren an die Bar.
      »Zunächst einmal möchte ich mich vorstellen, Herr Kommissar. Mein Name ist Markos Vassiliadis, und ich bin Schriftsteller. Das hier ist meine Heimatstadt, hier habe ich meine Kinderjahre verbracht, hier bin ich zur Schule gegangen. Als wir klein waren, hatten wir eine Kinderfrau, die mich und meine Schwester aufgezogen hat. Ihr Name ist Maria Chambou oder auch Chambena, wie man früher in Istanbul sagte. Gestern Abend habe ich Sie gefragt, ob sie unter Ihren Mitreisenden war.«
      »Ja, ich erinnere mich.«
      »Maria lebt mit ihrem jüngeren Bruder in einem nordgriechischen Dorf, etwas außerhalb von Drama. Ursprünglich ist sie eine Pontusgriechin aus dem Schwarzmeergebiet. Kürzlich hat sie davon gesprochen, ein letztes Mal nach Istanbul kommen zu wollen.« Er hält kurz inne, um zu prüfen, ob ich eventuell Fragen habe. Doch da dem nicht so ist, fährt er fort: »Maria ist schon sehr alt, sie muss an die neunzig sein. Sie ist zwar noch gut beisammen, aber trotzdem ist eine solche Reise für eine Frau ihres Alters eine Strapaze. Ich habe versucht, es ihr auszureden, aber sie war nicht davon abzubringen.«
      »Und so hat sie die Fahrt angetreten?«
      »Genau, sie ist mit dem Reisebus von Thessaloniki losgefahren. Dann verliert sich ihre Spur. Wir wissen nicht, ob sie sich in Istanbul befindet, wir wissen auch nicht, wo sie wohnt, wir wissen rein gar nichts. Ich befürchte, dass ihr etwas zugestoßen ist.«
      »Wann genau ist sie von Thessaloniki abgefahren?«
      Vassiliadis reagiert verlegen. »Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Zuletzt haben wir vor einer Woche miteinander telefoniert. Ich nehme an, dass sie unmittelbar danach abgereist ist.«
      »Wollte sie sich mit Ihnen in Verbindung setzen?«
      »Ja, und das beunruhigt mich am meisten. Ich habe ihr meine Handynummer gegeben und ihr nahegelegt, mich anzurufen. Doch sie hat sich überhaupt nicht gemeldet.«
      »Haben Sie mit ihrem Bruder gesprochen?«
      Hilflos breitet Vassiliadis die Hände aus. »Ich habe es immer wieder versucht, aber keiner geht ans Telefon.«
      In der nachfolgenden Pause blicken wir uns stumm an. Offenbar erwartet Vassiliadis von mir einen Lösungsvorschlag oder irgendeine Initiative, doch ich beabsichtige nichts dergleichen. Wenn ich schon gezwungenermaßen in die Ferien gefahren bin, soll ich sie dann auch noch freiwillig unterbrechen, um ehrenamtlich tätig zu werden? Das wäre wohl zu viel verlangt.
      »Ich war schon bei der Polizei, aber dort zeigte man gar kein Interesse«, hebt Vassiliadis wieder an. »Man sagte mir, es sei noch zu früh für eine Vermisstenanzeige, da müsse erst eine bestimmte Zeitspanne verstreichen. Eine Rolle spielt natürlich auch, dass ich kein Verwandter von Maria bin. Das hat sie misstrauisch gemacht.«
      Langsam kriecht in mir ein Verdacht hoch, ich vermute, ich weiß jetzt, was er von mir will, und das passt mir überhaupt nicht. »Und was soll ich in der Sache tun, Herr Vassiliadis?«
      »Mit mir zur Polizei gehen. Wenn man dort hört, dass Sie ein Kollege aus Griechenland sind, der sich für das Verbleiben einer Griechin interessiert, dann packen wir sie bei ihrer Berufsehre, und sie müssen etwas unternehmen.«
      »Ihnen ist

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