Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
mich auf eine Form von Händeklatschen, die mehr optischer als akustischer Natur war.
Die Stefanakou schlug vor, zu Fuß ins Hotel zurückzukehren, »um ein wenig frische Luft zu schnappen«. Die frische Luft stellte sich eher als Vorwand heraus, um kein Taxi zu beschmutzen, denn als wir uns dem Taksim-Platz näherten, verschwand sie in einem schlecht beleuchteten Seitensträßchen und kotzte sich die Seele aus dem Leib. Despotopoulos hielt seine Frau fest untergehakt, vielleicht auch um sie zu stützen, damit sie nicht umsank. Die Einzige, die keinerlei Anzeichen von Müdigkeit zeigte, war trotz ihrer Jahre die Mouratoglou, vielleicht weil sie den Raki von Jugend auf gewöhnt war und eine Menge vertragen konnte.
Der morgendliche Kaffee entfaltet heute nicht seine übliche Wirkung, und so halte ich nur mit Mühe meine Augen offen. Die einschläfernd lange Taxifahrt tut ein Übriges, um meinen Zustand zu verschlimmern.
Das Taxi verlässt nun die breite Straße, die am Hilton vorüberführt, und biegt nach links in eine ansteigende Straße ein, die ein wenig an den Tarlabasi-Boulevard erinnert. Ein Stückchen weiter oben biegt der Fahrer erneut nach links in eine schmale und lange Straße ab, wo einst wohl hauptsächlich Wohnbauten aus den dreißiger und vierziger Jahren standen, wie ich aus den Überresten schließe. Denn die meisten Gebäude sind abgerissen worden, und an ihrer Stelle erheben sich unschöne Neubauten mit Mosaikfassaden.
»Kurtulus!«, sagt der Taxifahrer zu mir und deutet vage um sich. Da wird mir klar, dass wir in dem Stadtteil angekommen sind, den die Istanbuler Griechen, wie ich von der Mouratoglou weiß, Tatavla nennen.
Wir kommen zu einem Platz, der Endstation für viele Buslinien ist. Und hier, direkt vor dem Eingang der Agios-Dimitrios-Kirche, lässt mich der Fahrer aussteigen. Der Vorhof der Kirche ist gut in Schuss und, wie in der Schule von Makrochori, mit Blumenrabatten bepflanzt, nur dass hier die gepflegte Anlage auch von ein paar wenigen Gemeindemitgliedern genutzt wird. Zwei alte Weiblein sitzen plaudernd auf einer Steinbank, während ein vierzigjähriger Mann den Hof kehrt.
»Wo finde ich Herrn Anestidis?«, frage ich ihn. Er hält im Kehren inne, und sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass er sich ernsthaft bemüht, meine Worte zu verstehen.
»Anestidis?«
Diesmal versteht er den Namen, weil ich ihn pur serviert habe, und er bedeutet mir, ihm zu folgen.
Er führt mich in den Hof hinein zum Büro des Kirchensprengels, das an große Athener Anwaltskanzleien aus den fünfziger Jahren erinnert.
Anestidis ist ein wohlgenährter, glatzköpfiger Mann um die fünfzig. Auf dem Stuhl ihm gegenüber sitzt eine Frau, schätzungsweise zehn Jahre älter als er, ungeschminkt und mit ergrautem Haar.
»Kommissar Charitos aus Athen«, stelle ich mich Anestidis vor. »Wir hatten telefoniert.«
»Angenehm. Und das hier ist Frau Iliadi.«
Frau Iliadi erhebt sich und reicht mir die Hand, während sie höflich bemerkt: »Sehr erfreut, Herr Kommissar.« Die förmlichen Floskeln können den befremdeten Blick nicht kaschieren, den sie mir zuwirft, während sie sich wohl auszumalen versucht, was ein Bulle aus Griechenland bloß von ihr wollen könnte.
»Wo sollen wir uns unterhalten?«, frage ich sie und füge sofort beruhigend hinzu: »Ich werde Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen.«
»Draußen im Hof ist es ganz ruhig«, meint sie und erhebt sich.
Die beiden Weiblein sind verschwunden, doch der Vierzigjährige kehrt immer noch. Wir nehmen auf zwei Stühlen vor den Büroräumen des Kirchensprengels Platz. »Sie wollen mich nach Kalliopi Adamoglou fragen, nicht wahr?«, dringt die Iliadi sogleich zu des Pudels Kern vor.
»Woher wissen Sie das?«, frage ich baff.
»Kommen Sie, Herr Kommissar. Istanbul hat vielleicht siebzehn Millionen Einwohner, aber wir sind gerade mal zweitausend Seelen. Wenn einer sich auch nur die Nase kratzt, wissen es am nächsten Tag alle.« Sie hält kurz inne und fügt hinzu: »Herr Panajotis, der Hausmeister der Schule, hat mich angerufen.«
»Herr Panajotis hat mir bereits einiges von der Adamoglou erzählt, doch ich wollte auch Ihre Meinung dazu hören.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da mehr zu bieten habe. Der Kopf, der hinter allem steckte, war Fofo, die Mutter. Sie hatte es geschafft, auf die Art reich zu werden, wie es nur wir Istanbuler
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