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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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hinweisen, muss aber nicht. Das Pflanzengift ist vielleicht das einzige Mittel, mit dem sie vertraut ist. Sollten wir nicht das Glück haben, dass sie es mit dem zweiten Mord gut sein lässt, wird sie demnach vermutlich weiterhin darauf zurückgreifen.
      Wichtiger ist jedoch die Frage, wo sie sich aufhält. Kann es sein, dass eine Greisin, die nach so vielen Jahren in eine Stadt zurückkehrt, in der die Zahl der Griechen täglich schrumpft, immer noch bei alten Bekannten unterkommt? Murat müsste eine Liste der Konstantinopler Griechen erstellen und sie dann abklappern. Es geht um weniger als zweitausend Personen, wobei die meisten untereinander verwandt sind. Kein großer Aufwand also, würde ich meinen.
      Das bringt mich zu einer weiteren Frage: Welche von meinen Erkenntnissen soll ich an Murat weitergeben? Im Grunde darf ich ihm von meinem zweiten Besuch in der Schule von Makrochori nichts erzählen, da er sonst ausrastet und die Gefahr besteht, dass er - mit dem Einverständnis seines Vorgesetzten - die Schotten dicht macht. Aber wie soll ich dann die Iliadi ins Spiel bringen, wenn ich ihm davon nichts erzählen kann? Seine erste Frage wird sein, wie ich auf sie gestoßen bin.
      Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und sehe, dass wir gerade die erste Bosporusbrücke überqueren. Hier staut sich der Verkehr, und das Taxi kommt nur langsam voran. Unter uns fahren die weißen Schiffe und die Linienfähren hindurch, vor uns warten die Wagen in der prallen Sonne geduldig darauf, dass sich der Stau auf der asiatischen Seite wieder auflöst.
      Ich probiere, Murat auf seinem Handy zu erreichen. »Rufen Sie an, um mir über den Fortgang Ihrer Ermittlungen zu berichten?«, fragt er, und sofort schrillen bei mir die Alarmglocken. Das wäre ja ein Ding, wenn er mich auch noch überwachen ließe, sage ich mir, aber ich stelle mich vorerst dumm.
      »Was für Ermittlungen?«, frage ich unschuldig.
      »Na, zu den Aussagen des Schriftstellers, der uns das Leben schwermacht.«
      »Lassen Sie mich etwa überwachen?«, schreie ich ins Handy, obwohl ich mir diesbezüglich sicher bin.
      Am anderen Ende der Leitung höre ich herzhaftes Gelächter. »Würde ich Ihnen das auf die Nase binden?«, fragt er zurück. »Ist das die Art, wie man euch die Überwachungstechnik auf der griechischen Polizeischule beigebracht hat?«
      Am liebsten würde ich meinen Kopf gegen das Taxifenster rammen. Wie konnte ich mich nur so stumpfsinnig benehmen! Gleichzeitig frage ich mich, wie oft das gegenseitige Misstrauen von Griechen und Türken beide Seiten noch zu hirnrissigen Verdächtigungen hinreißen wird.
      »Ich war mir nach unserem Besuch in Bakirköy sicher, dass entweder Sie den Schriftsteller auf dem Laufenden halten oder er mit Ihnen in Kontakt treten würde, um Neuigkeiten zu erfahren. Also fragte ich nach, ob Sie etwas herausbekommen haben.«
      Richtiger Gedankengang, sage ich mir. An jedem Übel ist doch auch etwas Gutes: Meine unbedachte Äußerung bringt mich auf die Idee, Vassiliadis als Urheber all meiner Erkenntnisse auszugeben und meine übrigen Quellen zu verschleiern. Um ganz sicherzugehen, werde ich Vassiliadis instruieren, für den Fall, dass Murat meine Angaben überprüfen sollte.
      Als ich ihm von meinen Ermittlungen berichte, beginnt eine andere Idee in mir Gestalt anzunehmen, die mir noch mehr Auftrieb gibt. Mit einem Schlag weiß ich, wie ich Adamoglous andere Cousine ausfindig machen kann.
      »Wann plant die Gerichtsmedizin, die Leiche der Adamoglou freizugeben?«
      »Weiß ich nicht, kann ich aber herausfinden.«
      »Diesbezüglich sollten Sie mir Bescheid geben, damit ich bei der Kirche nachfragen kann, wann das Begräbnis stattfindet.«
      »Und worauf wollen Sie hinaus?«, fragt er mich.
      »Ja, verstehen Sie denn nicht? Wenn auch nur ein Verwandter der Adamoglou noch am Leben ist, wird er zu ihrem Begräbnis kommen«, erkläre ich ihm und bin vollauf zufrieden, dass ihm dieser Gedanke nicht gekommen ist und ich meine kleine Rache genießen kann.
      »Richtig. Ich kümmere mich darum, und dann gehen wir zur Beerdigung.«
      »Nicht wir, sondern ich werde hingehen«, hebe ich hervor, ohne Widerspruch zu dulden.
      Diesmal ist er an der Reihe, misstrauisch zu werden. »Wieso? Ich dachte, das hätten wir geklärt.«
      »Die trauernden Verwandten und Bekannten werden einem türkischen Polizeibeamten kein Wort sagen, während ich derselben Religion angehöre und

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