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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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Zeit war für sie niemals Anlass zur Sorge. Wenn es nach ihr ging, konnte die Welt draußen ruhig warten. »Die Uhr da habe ich noch nie gesehen. Wann hast du sie gekauft?«
    Ja, meine Mutter hatte recht gehabt, es gab wirklich kein Mittagessen umsonst. Jetzt bezahlte ich, ich bezahlte für diese Uhr, die ich mir gedankenlos ums Handgelenk gebunden hatte.
    »Gestern«, murmelte ich und fuhr schnell fort: »Müssen wir nicht los, beattie?«
    Da stand sie mit einem Seufzer auf und griff nach ihrem Turban. das nasse Haar fiel ihr über die Schultern, glatt und tiefbraun. »was ist denn los, Annie?«
    Das hatte ich nicht erwartet - mit ihrer sanften Direktheit überrumpelte sie mich. Beattie war eine grünäugige Nymphe, eine Elfe aus alter Zeit. Ich sah es in ihren Augen, als sie jetzt in unserer kleinen Küche vor mir stand und mir den Weg zur Tür versperrte. Sie wusste über die Uhr Bescheid, ich brauchte es ihr nicht erst zu erklären - sie wusste es einfach. Schließlich hatte sie alles ertragen, meine selbstquälerischen Überlegungen, ob ich Carlo sagen solle, dass mit uns beiden Schluss war, ebenso wie meine wütenden Ergüsse, wenn ich auf seinen Anruf wartete und glaubte, es nicht mehr aushalten zu können. Und dann mein plötzliches Losstürzen, wenn er doch noch anrief, um mir einen Treffpunkt durchzugeben. Ja, er brauchte bloß mit den Fingern zu schnippen.
    Daher wollte ich Beattie plötzlich alles erzählen. Ich wollte mit ihr über die missliche Lage sprechen, in der ich mich gerade befand, wollte mich ihr genau wie früher anvertrauen und mit ihr über dieses verrückte Durcheinander reden: dass ich zwar hier war, aber älter, auch wenn ich vielleicht nicht so aussah und mich bestimmt nicht so verhielt. Und von Charlie wollte ich ihr ebenfalls erzählen.
    »Ach, Beattie -«
    »Es geht schon wieder um ihn, oder?«, fragte sie, während sie ihr Haar zusammendrehte und zu einem Knoten aufsteckte. »Ach, Annie, warum um Gottes willen hast du ihm denn nicht einfach gesagt, dass es aus und vorbei ist?«
    In diesem Augenblick wurde mir klar, dass ich mich meiner Freundin nicht anvertrauen konnte. Es war die Beattie von früher, die vor mir stand - jene Beattie, die nur von unbedeutenden Problemen wusste, von Problemchen, die im größeren Zusammenhang, in dem Leben, dass ich seither geführt hatte, keine Rolle mehr spielten.
    Als Frau, die auf die vierzig zuging, war ich darüber hinaus.

20
 
    W ir trafen uns im Panis zum Lunch, am Quai de Montebello auf dem linken Seineufer, genau gegenüber von Notre-Dame. Das ist der Vorteil, wenn man so lange zusammen ist: man streitet sich zwar, aber man hört auch bald wieder auf. Es ist einfach nicht der Mühe wert.
    Marc war wieder vor mir da, er saß schon mit dem Rücken zum Raum an einem Tisch, vor sich eine Flasche Weißwein und zwei bereits vollgeschenkte Gläser. Ich fragte mich, ob er unseren Lieblingswein bestellt hatte. Früher hatte ich ihn immer bestellen müssen, weil ich den Namen nie richtig aussprechen konnte.
    »Puh-il-lie Fuh-meh, s'il vous plaît«, sagte ich zum Kellner, der mich daraufhin jedes mal verständnislos anstarrte. Erst wenn ich es ein paarmal versucht und mich dabei vollkommen blamiert hatte, griff Marc ein.
    »Pouilly Fumé«, sagte er, wie nur ein Franzose es kann, und zwinkerte dem Kellner zu.
    Und der Kellner lächelte zurück. »Ah oui, bien sûr!«
    Ein kleiner Scherz unter Eingeweihten.
    Aber dieses mal hatte Marc offensichtlich schon eine Flasche bestellt, ohne auf mich zu warten. Das war merkwürdig. Früher hatte er mich und meine Radebrecherei so bezaubernd gefunden. Jetzt brauchte er bloß etwas zu trinken.
    Als ich hinter ihn trat, überlegte ich, wie seltsam es war, seine beginnende Glatze nicht zu sehen. Mir wurde bewusst, dass ich sie sogar vermisste, diese kahle Stelle auf seinem Kopf, diese winzige Verletzlichkeit, nicht größer als eine Zwanzigcentmünze. Während ich an ihm vorbei auf meinen Stuhl schlüpfte, legte ich ihm rasch die flache Hand auf den Kopf.
    »Weg«, sagte ich.
    »Quoi?« Verwirrt lächelte er mich an. »was ist Weg?«
    »Nichts.« Er war in dieser Beziehung immer ein bisschen überempfindlich gewesen, deswegen wollte ich es ihm nicht unter die Nase reiben. »Nichts, was wir nicht wiederkriegen würden.«
    »Ah, oui.« er nickte, als habe er mich verstanden. »Das stimmt, Annie.«
    Ernst schaute er mir in die Augen, und in seiner Stimme lag so viel Überzeugung, dass er sicherlich dachte, ich

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