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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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hingegangen war. Doch dann fiel es mir wieder ein. Sie hatte ja einen Liebhaber gehabt.
    Es musste ungefähr in jener Zeit gewesen sein, als ich mit Carlo zusammen gewesen war, oder vielleicht hatte ich Marc auch schon gekannt. Ich konnte mich nicht mehr erinnern. beattie und ich waren uns immer sehr nah gewesen, diesen Teil ihres Lebens jedoch hatte sie mir seltsamerweise verheimlicht. Obwohl wir in unserer kleinen Wohnung zusammenlebten, hatte ich den Mann nie gesehen, kein einziges mal. Im Gegensatz zu Marc kam er nie zu uns. Also verschwand sie jedes mal. Gelegentlich blieb sie nur eine Stunde Weg, manchmal auch mehrere, aber nie die ganze Nacht - offenbar waren es gestohlene Momente. Sie weigerte sich, mit mir darüber zu sprechen, obwohl ich sie danach fragte, obwohl ich sie neckte: »Sag mal, mein Fräulein, wo warst du denn gestern Abend? Wieder mit ihm zusammen?«
    War Beattie jetzt auch gerade bei ihrem geheimnisvollen Unbekannten?, fragte ich mich. Ich wünschte, sie wäre hier bei mir geblieben, meine alte Freundin, die ältere Beattie - die Frau, der ich mich anvertrauen und mit der ich über unsere Männergeschichten lachen konnte. Sie würde wissen, was von alldem zu halten war.
    »Annie«, würde sie sagen, »das ist ein Zeichen.«
    Für Beattie war alles ein Zeichen. Nach Charlies Geburt hatte sie mich angerufen. »Annie, ich habe darüber nachgedacht«, hatte sie erklärt, »die Beule auf seinem Kopf ist ein Zeichen für Intelligenz.«
    Ich hatte gelacht. »Nein, Beattie, die ist bloß ein Zeichen dafür, dass er ein bisschen was abgekriegt hat, als er sich durch den Geburtskanal gequetscht hat.«
    Und später, als Marc seine Stelle verlor, hatte Beattie erklärt: »Das ist das Zeichen für euch, Annie. Es ist Zeit, dass ihr nach Frankreich zurückkommt.«
    Für Beattie geschah alles aus einem Grund. Diese Überzeugung wurzelte in ihrem Glauben. Als Freundinnen waren Beattie und ich ein seltsames Paar. Sie war in Irland bei streng katholischen Eltern aufgewachsen und bei Nonnen zur Schule gegangen. Jeden Sonntag hatte sie in die Kirche gemusst, aufs Schwänzen standen Höllenstrafen. Ihr Vater rief sie immer noch jeden Sonntagmittag an, gleich nach der Messe. Ich dagegen war in Sydney erzogen worden, hatte eine staatliche Schule besucht und obendrein eine überzeugte Atheistin zur Mutter gehabt, die mir verboten hatte, am Religionsunterricht teilzunehmen, aus Prinzip. »Ich will nicht, dass sie dir den Kopf mit diesem religiösen Mist vollstopfen«, pflegte sie zu sagen. Folglich saß ich am Dienstagmorgen, wenn meine Freundinnen zu ihrem Religionsunterricht gingen - anglikanisch, katholisch, griechisch-orthodox oder jüdisch -, immer allein in der Schülerbibliothek mit dem Gefühl, etwas zu verpassen.
    Paradoxerweise erschien Beatties glaube mir damals wie eine verbotene Frucht. Ich war fasziniert, wenn sie ihre Geschichten von Heiligen erzählte oder von den Nonnen mit ihren schlimmen Strafen, von der beichte oder von der Erbsünde. Das erinnerte mich an die alten Filme, die ich mir in den Schulferien nachmittags angesehen hatte, an Audrey Hepburn in Die Geschichte einer Nonne.
    Daher überlegte ich, während ich so in meinem alten Zimmer stand, in das bewölkte nichts hinaufschaute und mich nach Charlie sehnte, was Beattie wohl zu der ganzen Sache sagen würde - sollte ich ihr tatsächlich die Wahrheit erzählen.

19
 
    S ie drehte ihre Teekanne dreimal in die eine, dann dreimal in die andere Richtung - erst im Uhrzeigersinn, dann andersherum.
    Seit ich sie kannte, vollzog Beattie jeden Morgen dieses Ritual - genau wie meine Großmutter früher, außer dass Grandma es immer umgekehrt gemacht hatte: erst gegen, dann mit der Uhr. Während ich Beattie beobachtete, überlegte ich flüchtig, ob das wohl daran lag, dass Grandma in Australien gelebt hatte, auf der südlichen Erdhalbkugel, und auch ihre Handlungen vom Mond gesteuert worden waren - wie Ebbe und Flut, wie das Wasser, das in Down under entgegen dem Uhrzeigersinn durch den Abfluss gurgelte, andersherum als Wasser, das in Frankreich abfloss. Marc würde natürlich sagen, dass das mal wieder überhaupt nicht zum Thema gehört. Aber schließlich war er an diesem Morgen nicht bei mir. Und ich bemühte mich ehrlich gesagt, weder über ihn nachzudenken noch darüber, wo er in diesem Moment steckte oder wo er gestern den ganzen Abend gewesen war. Vor allem mit wem.
    Es war Dienstag - mein dritter Morgen in dieser verrückten Zeitschleife. Ich

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