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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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hätte etwas viel wichtigeres gemeint als seine kahle Stelle, nämlich uns oder Charlie. Ich erkannte sein typisches versöhnliches Gesicht, das er nach einem Streit immer aufsetzte. Marc gab sich Mühe; er wollte nicht weiterzanken - genauso wenig wie ich. Zu viel stand auf dem Spiel. Also beugte ich mich über den Tisch und küsste ihn auf die Lippen. Ich hatte vergessen, wie weich sie waren. Er griff nach meiner Hand und hielt sie einfach.
    Ich lächelte. »Du scheinst gut drauf zu sein.« Hat er die Antwort gefunden?, fragte ich mich. Werden wir am Ende des Tages aus diesem Schlamassel heraus sein? Oder schlimmstenfalls am Ende der Woche? Dann würde ich es ertragen. Ich könnte es überstehen, wenn Marc mir versicherte, dass er die Lösung gefunden hatte, dass wir im Handumdrehen wieder zu Hause bei Charlie sein würden, noch bevor wir das Hauptgericht bestellt hatten!
    Marc hob sein Glas und stieß leicht mit mir an. »Ach, ich freue mich einfach, dich wiederzusehen. C'est tout.«
    Aber etwas an der Art, wie er zerstreut den Blick abwandte, irgendetwas, was nur ich wahrnehmen konnte, weil ich so lange mit ihm zusammengelebt hatte, machte mich stutzig. Ich musste an Frédérique denken und entzog ihm die Hand.
    »Nein.« Ich trank einen Schluck Wein und beobachtete, wie er nervös Brotkrumen vom Tischtuch wischte. »Jetzt sag mir, woran du wirklich denkst.«
    Doch, natürlich hatte Marc etwas auf dem Herzen - aber es ging nicht um Frédérique. Er schaute mich wieder an. »Heute Morgen hat mein Vater mich auf der Arbeit angerufen.«
    Es passiert mir selten, dass ich keine Worte finde, aber jetzt war ich sprachlos. Marc wippte unter dem Tisch mit dem Bein, sodass der Wein in meinem Glas schwappte und sich auf der Oberfläche kreisrunde Wellen bildeten. Ich legte meine Hand auf seine.
    »Dein Vater?« Mein Herz schlug schneller.
    Doch Marc schüttelte lächelnd den Kopf. »Wir müssen was essen.« Er hob die Hand, um den Kellner heranzuwinken. »Tu as faim? Mensch, ich habe einen Entenhunger!«
    Der »Entenhunger« war ein alter Witz. Marc hatte aus dem Bären eine Ente gemacht, weil magret de canard, Entenbrust, sein Lieblingsessen war.
    Doch beim Gedanken an seinen Vater war mir schlagartig der Appetit vergangen. Ich hatte seinen alten Herrn ganz vergessen.
    »Marc, bitte - so nicht!« Das Paar am Nachbartisch schaute zu uns herüber. Ich bemühte mich, leiser zu sprechen. »Sag es mir doch, bitte! Sag mir doch, was du vorhast -«
    »Non, mais alors, Annie!« Er hatte diesen abwehrenden Blick, die reine Unschuld. »Ich habe überhaupt nichts vor. Ich habe dir bloß erzählt, dass mein Vater angerufen hat. Et alors?«
    Plötzlich stand mit gezücktem Block der Kellner neben uns, ungeduldig. »Et alors?«, ahmte er Marc nach. Ganz schön dreist, dachte ich. »Vous avez choisi, M'sier, 'dame?«
    Ich beschloss, Monsieur Echo zu ignorieren. »Bitte, Marc, wir müssen darüber sprechen!«
    Doch Marc hatte seine Aufmerksamkeit dem Kellner zugewandt und beachtete mich nicht mehr. »Le magret de canard pour moi.«
    Er wusste genau, dass ich es nicht leiden konnte, wenn er zuerst für sich selbst bestellte. Mein Vater hätte das nie getan, wie meine Mutter behauptete. Aber wenn Marc sauer auf mich war, tat er das immer.
    Der Kellner wandte sich an mich. »Et Madame?« Ich fragte mich, ob die Kellner die ungehobelten Gäste daran erkannten, dass sie nicht zuerst für ihre Partner bestellten.
    »Sandwich au fromage.« ich lächelte zu ihm hinauf, um ihm zu verstehen zu geben, dass es schon in Ordnung sei, dass ich daran gewöhnt sei.
    » Madame , das hier ist kein Café.« Sein Ton war eiskalt. »Wir haben keine Sandwiches.«

21
 
    M arcs Eltern, Rosa und Maurice, lernte ich schon ganz früh in unserer Beziehung kennen. Wir waren an einem Wochenende im April aufgebrochen, hatten die Großstadt hinter uns gelassen und waren in südöstlicher Richtung aufs Land gefahren, wo sie lebten. ozouer-le-Voulgis ist bloß etwa vierzig Kilometer von Paris entfernt, aber wenn man einmal dort ist, hat man das Gefühl, im Nirgendwo gelandet zu sein. Die Landschaft da draußen ist flach - platt wie eine Briefmarke. Geht man die Straße, die nach Ozouer hineinführt, entlang, kann man kilometerweit sehen - man hat einen freien Blick vom Friedhof über die Mais- und Rote-Bete-Felder bis hin zur Kirche und dorfauswärts auf weitere Felder mit Mais und Rote Bete. Das Dörfchen hat eine Post, ein Café, einen Laden, eine boulangerie und mehr

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