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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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Geschichte noch nicht. »Und ich muss das allein machen, Annie.« Ich nicke. Aber als wir zum Park hinübergehen, nehme ich voller Unbehagen seine Hand. Mir ist nicht wohl bei der Sache.
    Auf der Straße herrscht reger Verkehr. Junge Männer rasen vorbei, aus ihren Autos dröhnt Rap mit einer Million Dezibel, so laut, dass er gar nicht mehr wie Musik klingt. Er trommelt einen Gegenrhythmus zu meinem pochenden Herzen, das jetzt wieder einmal viel zu schnell schlägt. Denn ich weiß, was dieses Thema für Marc bedeutet. ich weiß, was es bisher für ihn bedeutet hat, wie wichtig es ihm war.
    Voller Unruhe drücke ich seine Hand. »was wirst du sagen, Marc?«
    Er stößt den Atem aus. »Ah ... Je ne sais pas, Annie! Ich will einfach mit ihm darüber reden - c'est tout. «
    Der Park ist bereits geschlossen. Ich schaue zu, wie Marc mit einem Satz über die hüfthohe Pforte springt, und muss über seine Behändigkeit lächeln. Er grinst zurück. Ich bin dran. Ich schwinge ein Bein über die Pforte, spüre, dass er mich beobachtet. Doch selbst als junges Mädchen war ich nicht besonders gut im Turnen. In der Schule verlor ich beim Hochsprung immer die Nerven - wenn ich es nun nicht schaffte? Aber da legt er mir die Hände um die Taille und hält mich fest, während er mir behutsam über das Tor hilft. Sein Mund liegt auf meinem, beißt, seine Zunge gleitet über meine Lippen.
    Im Finstern gehen wir den Weg entlang. Hier ist es ruhig, eine dumpfe Stille geht von diesem dunklen Zufluchtsort unter den Bäumen aus. Am Fuß des dicken Feigenbaumes in der Mitte der Grasfläche erahne ich einen Schatten, eine winzige Gestalt - ein Eichhörnchen. Anscheinend hat es mich auch entdeckt, es erstarrt zu einer Silhouette mit aufgerichtetem buschigem Schwanz.
    Ich spreche leise. »Du meinst, du willst ihm sagen, dass er krank ist? Oder -«
    »Ich möchte, dass er zum Arzt geht, Annie. ich will nicht, dass er -« Marc hält plötzlich inne; er stößt die Luft aus und bleibt stehen, mitten auf dem Weg, so regungslos wie das Eichhörnchen. »Ach, Annie!«
    Als ich die Hand auf seine Wange lege, fühle ich die Hitze seiner geröteten Haut, ich spüre seine Aufregung, seine Gewissheit, dass er diesen Schritt gehen muss. »Ich weiß, Marc.«
    Ich habe so lange mit seinem Schmerz und seiner Frustration gelebt. Ich weiß, dass er mit seinem Vater sprechen muss, denn ich erinnere mich an damals, er war wie verwandelt, und seine Wut veränderte unsere Beziehung brutal und schwebte wie ein drittes, unerwünschtes Wesen zwischen uns. Anscheinend ist das bis jetzt so, bis zu diesem Moment, obwohl wir wieder hier sind und sein Vater noch lebt.
    Dennoch fühle ich mich zerrissen. Im tiefsten Herzen möchte ich nicht, dass Marc Einfluss auf seinen Vater nimmt. Wenn er das nämlich schafft, verändert er den Ablauf unserer Vergangenheit. Und schon eine winzige Veränderung könnte eine ganze Kette weiterer Veränderungen nach sich ziehen - so, als ob man eine Weiche anders stellt ... unser ganzes Leben könnte eine andere Richtung nehmen.
    Und was dann? Was würde mit Charlie?
    »Non, Annie.« Marc schüttelt meine Hand, schüttelt mich aus meinen Gedanken heraus. »Das ändert nichts. Es geht ja nur um meinen Vater, d'accord? Sonst verändere ich mit diesem Besuch doch nichts.«
 
    Es ist noch früh, die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Ich nehme Marcs Autoschlüssel vom Schränkchen im Flur, schleiche auf Socken, mit den Schuhen in der Hand, zur Tür und verlasse seine Wohnung. Ich bemühe mich, ihn nicht aufzuwecken, denn es soll eine Überraschung werden.
    Ich will seinen Kastenwagen nehmen, zu Beatties Wohnung fahren und meine restlichen Sachen holen. Bevor er auch nur merkt, dass ich Weg bin, müsste ich mit Croissants zurück sein. Ich will alles holen, meine restlichen Klamotten und meinen überall verstreuten Krimskrams, damit ich nicht mehr zwischen zwei Wohnungen, zwischen zwei Welten in der Luft hänge und mit der nächsten Phase unseres Lebens loslegen kann.
    Es ist Sonntagmorgen, und ich fahre durch Paris. Als ich die breite Straße zur Place de la République hinauffahre, muss ich lächeln, denn die Dame mit dem Ölbaumzweig winkt mir zu.
    Es ist merkwürdig. Ich fühle mich wie durch die Mangel gedreht, als hätte diese Woche mich platt gewalzt, mich ausgeknockt. Doch trotz allem und trotz meiner grenzenlosen Furcht, dass ich Charlie vielleicht nie wiedersehe, spüre ich im Grunde meines Herzens noch etwas anderes. Dort regt sich ein

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