Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
schneller als das Licht, während wir immer noch voreinander im Flur hockten.
Ich streckte die Hand aus. »Ich bin Annie - aus Australien.«
Beatties Händedruck war fest. »Freut mich, Annie. Aus Australien, sagst du? Das hätte ich ja nie vermutet.«
Ich mochte sie sofort. Sie sprühte vor Temperament und hatte einen boshaften Sinn für Humor, mit dem sie andere zum Lachen oder auch zum Weinen bringen konnte, je nachdem, wie sie gerade gelaunt war.
Ich weine, als ich jetzt vor Marcs Wohnung parke. Er ist wach, beim Hereinkommen höre ich ihn in der Küche. ich werfe die Schlüssel auf das Schränkchen, knalle meine Sporttasche auf den Boden und bleibe im Flur stehen. ich höre, wie das Wasser durch die Kaffeemaschine gurgelt, atme den Duft des Kaffees, der durch den Filter läuft. Die Croissants habe ich ganz vergessen. Am liebsten würde ich wieder ins Bett kriechen und mir die Decke über den Kopf ziehen.
»Wo warst du?« Marc lächelt mir zu, als ich in die Küche trete.
Aber mein Kopf tut weh. ich fuchtle mit der Hand vor meinem Gesicht herum. Nein, heißt das. ich brauche Kaffee. Ich muss darüber nachdenken! Ich schnappe mir eine Tasse aus dem Regal. Marc nimmt sie mir ab. Wortlos schenkt er mir ein, und ich nehme den Kaffee entgegen, ohne mich zu bedanken. Ich muss mich hinsetzen, muss über Carlo nachdenken, diesen geheimnistuerischen Scheißkerl, und über beattie.
Beattie!
Ich sitze am Küchentisch und starre auf die Straße hinaus. ich spüre Marcs Hand auf meiner Schulter, er hebt mein Haar, drückt mir einen Kuss auf den Nacken, als er sich zu mir setzt, presst die Knie gegen mein Bein. Ich überlege, wann es begonnen hat, ab wann beattie immer wieder mal verschwunden ist. Aber ich kann mich nicht daran erinnern. Nur eins ist sicher - ich weiß genau, dass es in derselben Zeit war, in der ich mich mit Carlo getroffen habe. Und in all den Jahren, die seither vergangen sind, in all den Briefen, die sie mir aus Frankreich geschrieben hat, hat sie es nie erwähnt, nicht einmal andeutungsweise, und auch keine Spur von schlechtem Gewissen durchblicken lassen.
Dieser Betrug macht mich fassungslos; wie vor den Kopf geschlagen bin ich von beatties so gut gehütetem Geheimnis. Ich möchte sofort ihre Briefe herauskramen und mich darin vertiefen, nach einem Hinweis auf ihren Betrug suchen, zwischen ihren handgeschriebenen Zeilen lesen. Entdecken, was ich in all den Jahren übersehen habe. Aber das geht natürlich nicht. Der dicke Packen Briefe, Geburtstagskarten und Postkarten, den ich als Tribut an unsere Freundschaft zu Hause in Lherm auf dem obersten Bord meines Kleiderschrankes in einem Schuhkarton verstaut habe, ist noch nicht geschrieben.
Endlich breche ich das Schweigen. »ich hab's rausgekriegt.« Aber ich spreche mehr mit mir selbst als mit Marc - meine Stimme ist heiser und tonlos.
Marc streichelt mein Bein. »Quoi? Was hast du rausgekriegt?«
Doch ich gebe keine Antwort. Ich kann nicht. Ich erinnere mich an Dinge, die beattie im Laufe der Jahre zu mir gesagt hat. Und selbst neulich noch: »Warum hast du Carlo nicht einfach gesagt, dass es aus ist?«
» Was hast du rausgekriegt, Annie?«
Ich dachte, sie mache sich Sorgen um mich! Wie konnte ich nur so blind sein! Ich hatte tatsächlich geglaubt, ihr ginge es um mich - als sie mich zum Shoppen mitnahm, als sie mich drängte, diese albernen Stilettos zu kaufen, als sie mich fragte, warum ich Carlo nichts von Marc erzählt hatte. Aber nein, mein Wohlergehen hatte beattie überhaupt nicht interessiert - ich sollte bloß von der Bildfläche verschwinden.
»Annie?«
Ich wende mich Marc zu. Er beobachtet mich über seinen Kaffee hinweg. beattie hat die Armbanduhr gesehen. Was hat sie bloß gedacht, als sie Carlos Geschenk an meinem Handgelenk entdeckte? War sie eifersüchtig, oder hatte er ihr auch eine Uhr geschenkt? Und ich hatte ihr alles erzählen wollen, hatte mich ihr anvertrauen wollen, wie ich es immer getan hatte - ich hatte ihr sogar von Charlie erzählen wollen!
»O Gott, was war ich bloß für ein Trottel!«, stöhne ich.
Marc legt mir die Hand auf die Schulter. »Mais, Annie, qu'est-ce que tu as? Dis-moi!«
Also sage ich es ihm: »Ich weiß jetzt, wer es ist.«
Offensichtlich hat Marc keine Ahnung, wovon ich spreche. Er hebt eine Augenbraue, sieht mich an, wartet. Und ich frage mich: Wofür hat Beattie in La Madeleine gebetet? Hat sie gebetet, dass ich mich einfach mit Marc zusammentue und ihr Carlo überlasse? Als sie den
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