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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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wieder blitzen ihre perlweißen Zähne. »Bestimmt freut es Sie zu hören, dass Sie nichts Ansteckendes haben. Es spricht nichts dagegen, dass Sie morgen wieder zur Arbeit gehen.«
    Erneut starre ich sie verdutzt an. das weiß ich doch. Es waren bloß Kopfschmerzen, ganz schlimme Kopfschmerzen. Ich überlege, ob ich sie nach einem Ärzteausweis hätte fragen sollen. Schließlich könnte diese Frau ja irgendjemand sein - zum Beispiel eine Touristin, die im Hotel wohnt und gerade zufällig an meiner offenen Zimmertür vorbeigekommen ist. Allerdings kann ich mich nicht erinnern, sie im Frühstücksraum gesehen zu haben ...
    Ihr nächster Satz erwischt mich kalt.
    »Was Sie haben, ist einfach ein besonders schwerer Fall von morgendlicher Übelkeit.«
    Es ist passiert, als ich am wenigsten damit gerechnet habe, genauso wie beim ersten Mal - das Wunder. Bloß dass das Wunder beim letzten Mal Charlie war, mein Charlie. An diesem hier habe ich kein Interesse. Die Ärztin kann es mitnehmen, zusammen mit ihrer ganzen Trickkiste.
    Es ist zwei Monate her, dass wir uns in Marcs Wohnung geliebt haben - nur das eine Mal. Schon merkwürdig, wie oft wir es für Charlie versucht haben, aber dieses Mal.
    Diesmal freue ich mich nicht. Mir ist bloß übel.

43
 
    A nnie?« Es ist unheimlich, wie sehr ihre Stimme meiner ähnelt - wie ein Echo. Doch obwohl die Ähnlichkeit so groß ist, fällt mir nichts ein, was ich sagen könnte. Zitternd halte ich den Hörer in der Hand, ich zittere wieder wie ein kleines Mädchen, auch heute noch, denn es ist so lange her, dass ich diese Stimme gehört habe ... dass ich meinen Namen aus dem Mund meiner Mutter gehört habe.
    »Annie, wo bist du denn?«
    Wo soll ich anfangen? Ich hole tief Luft. »Ich bin in Frankreich, Mummy.«
    »In Frankreich? Um Gottes willen, Annie, was hast du denn jetzt wieder gemacht?«
    Wenn ich nicht so angespannt wäre, fände ich ihre Frage lustig, ja urkomisch. Ich bin so alt geworden, so viel Wasser ist den Fluss hinuntergeflossen, und jetzt, da ich endlich von Madames Telefonzelle unten an der Treppe aus anrufe, stellt meine Mutter mir diese Frage! Als wäre ich ein Kind, nicht älter als Charlie. Doch ob ich nun fünfundzwanzig oder neununddreißig bin, spielt überhaupt keine Rolle. Für meine Mutter bin ich in jedem Fall ein dummes, flippiges Mädchen, das schon wieder irgendwelchen Blödsinn angestellt hat.
    Es ist Ewigkeiten her, dass ich in den Flieger gestiegen bin, dass ich nach Grandmas Trauerfeier verschwunden bin, ohne mich zu verabschieden. Aber für meine Mutter sind natürlich nur zwei Jahre vergangen.
    »Fahrt irgendwohin, wo es schön ist, Annie«, hatte Grandma gesagt. »Nimm deine Mutter an einen ganz besonderen Ort mit. Und dann wünscht ihr euch etwas und werft die Wünsche in den Wind. Wünscht euch zusammen etwas.«
    Aber das haben wir nicht getan.
    Mummy und ich hatten fünf Jahre lang nicht miteinander gesprochen, seit ich mit achtzehn aus dem Haus gegangen war und die Tür hinter mir zugeknallt hatte. Bei der Trauerfeier für Grandma jedoch hatte sie sich endlich zu mir gewandt und gesagt: »Jetzt kommst du vielleicht wieder auf die Erde zurück.« Als ich ihr ins Gesicht schaute, als ich in ihre dunklen Augen sah, in die schwarzen Pupillen, in diese tiefe Dunkelheit, wusste ich, dass ich sie nicht um diese gemeinsame Unternehmung bitten konnte.
    Ich konnte sie einfach nicht bitten, es mit mir zusammen zu tun, um so das Versprechen zu erfüllen, das ich Grandma gegeben hatte.
    Wir glichen zwei Frauen, die rechts und links von einem Highway standen, den keine von beiden überqueren konnte. Und Grandma war fort. Ihre Mutter, meine Großmutter. Wir hatten keine gemeinsame Basis mehr, keinen Rettungsanker, an dem wir uns festklammern konnten - wir rasten beide in entgegengesetzter Richtung in den Abgrund, weil wir zwei verschiedene Hemisphären bewohnten. Zwei verschiedene Planeten.
    Also war ich fortgegangen. »Soll sie die Asche doch behalten!«, hatte ich in den Wind gerufen.
    Und als das Flugzeug auf der Startbahn beschleunigte, als seine schwere Masse protestierend knarrte und es schließlich wie ein trächtiger Flugsaurier abhob und immer höher stieg, wiederholte ich diesen Satz noch einmal, den Kopf fest in den Sitz gedrückt. Trotzdem rannen verräterische Tränen über meine heißen Wangen und bildeten kalte Pfützen der Enttäuschung.
    Die Romantikerin in mir hatte nämlich geglaubt, dass es diesmal anders ausgehen würde; diese ärgerlich

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