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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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zu übertönen. Selbst diese kleine Anstrengung nahm ihr zweigeteiltes Schlüsselbein übel. »Solange ich am Boden lag, war ich nicht fähig, viel zu bemerken. Da hätte man zehn Drähte über den Weg ziehen können, ich hätte nichts davon mitgekriegt.«
    »Es wäre dir aber aufgefallen, wenn jemand aus dem Gebüsch gekommen wäre, um seinen Draht von dem Stab zu entfernen.«
    »Stimmt«, musste Pilar zugeben.
    »Bei dem Radfahrerfall war das nicht nötig«, erklärte Freddy. »Die Rekonstruktion der Tat ergab, dass der Täter das eine Ende in seinem Versteck befestigt, den Draht auf der anderen Straßenseite um einen Baum geführt und das zweite Ende ebenfalls bei sich im Versteck angebracht hatte. Um den Draht zu sich heranzuziehen, musste er nur ein Ende lösen, er konnte im Versteck bleiben.«
    Pilar versuchte, sich die Sache vorzustellen. »Der Draht war also doppelt gespannt.«
    Richard stellte das Wasser ab. »Ein Draht hätte das Pony doch verletzt, oder?«
    »Es könnte eine Schnur gewesen sein«, meinte Pilar. »Asti hat irgendwas bemerkt. Vielleicht die Schnur, die über den Weg glitt und im Gebüsch verschwand.«
    »Großartiger Gaul.« Richard lachte. »Detektiv Asti.«
    »Ich habe eine feine Spur am Boden gesehen. Das passt dazu.«
    »Du meinst, da hat einer mit straff gespannter Schnur im Busch gehockt und darauf gewartet, dass du dort eventuell vorbeigaloppierst? Bei dem Wetter?«
    »Wer mich beobachtet hat, als ich losgeritten bin, konnte sich denken, dass ich höchstwahrscheinlich auf diesem Weg zurückkomme.«
    »Pilar, das macht doch keiner«, sagte Richard. »Kennst du den Weg, Fred? Glaubst du, da kriecht einer ins Unterholz?«
    »Man müsste überprüfen, ob sich dort jemand aufgehalten hat«, meinte Freddy. »Zerknickte Zweige, heruntergetretene Gräser … Wenn es nicht schon dunkel wäre, würde ich sofort nachschauen.«
    Pilar beschrieb ihm die Stelle, so weit sie sich erinnerte: Den Abzweig eines Graspfades hatte sie hinter sich gelassen, den leichten Linksknick des Weges noch nicht erreicht.
    Richard schüttelte den Kopf. »Wer sollte dir so was antun?«
    »Man hat mir schon die Reifen aufgeschlitzt, eine Katze getötet und die andere zum Krüppel gemacht.«
    »Es wird Zufall sein, dass dich so viel Pech auf einmal trifft«, entgegnete Richard. »Für die Katzen sind vermutlich Katzenfeinde verantwortlich, für den Reifen ungezogene Pänz. Und falls am Reitweg etwas faul war, musste es nicht dir persönlich gelten. Viele Leute haben was gegen Reiter. Die Pferde zertrampeln die Wege und hinterlassen überall Äppelhaufen.«
    »Möglich, dass du recht hast.« Pilar seufzte. Ihre bisherige Annahme überzeugte sie selbst nicht mehr.
    Freddy aber war in Fahrt geraten. »Hast du keine Angst um deine Frau?«
    Richard stellte die volle Gießkanne auf dem Boden ab. Er schob das Kinn vor, wie immer, wenn er wütend wurde. »Weil ich hier der Einzige bin, der auf dem Boden der Realität bleibt, hältst du mich für eiskalt, oder was?«
    »So habe ich es nicht gemeint.«
    »Natürlich mache ich mir Sorgen, wenn sie reitet. Früher war das Pony zu wild, jetzt ist es zu alt …«
    »Es ist wahrscheinlich aus anderen Gründen gestürzt«, wandte Freddy ein.
    »Reine Spekulation.«
    »Wenn Pilar sich das Genick gebrochen hätte, würdest du das anders sehen.«
    »Hätte, wäre …«
    »Hat nicht viel gefehlt.«
    »Schick von mir aus die Kripo hin! Lass das Pferd als Zeugen vernehmen!«
    »Ich schau mir den Tatort morgen an.«
    »Bravo, Herr Detektiv! Wünsche dir gutes Wetter!«
    Die beiden waren laut geworden. Die Worte flogen zwischen ihnen hin und her wie Eisbrocken. Pilar fühlte sich unangenehm an die Zeit erinnert, als Richard ihren alten Freund als Nebenbuhler angesehen hatte, bis er begriff, dass Freddy eher die Stellung eines Bruders einnahm und nur Augen für stattliche Blondinen hatte.
    Pilar verließ langsam die Küche und trat bei jedem Schritt vorsichtig auf, da schon kleinste Erschütterungen Schmerzen verursachten. Im Schlafzimmer legte sie sich aufs Bett. Goethe saß unterm Schreibtisch und blickte sie mit großen runden Augen aus seinem Kunststoffkragen an.
    »Wäre ich doch bei dir geblieben«, murmelte sie ihm zu. Sie überlegte, ob jemand sie am Nachmittag beobachtet haben könnte. Am Hof waren nur das Mädchen und das ältere Ehepaar gewesen. Aber sie hatte nicht darauf geachtet, ob sonst jemand gesehen hatte, wie sie losritt. Sie erinnerte sich undeutlich an zwei oder drei

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