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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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war es still im Haus. Unheimlich still. »Leg das Telefon neben dich, damit du Hilfe holen kannst, wenn irgendwas ist«, hatte Mama gesagt. Nun lag das Telefon neben ihr auf dem Laken. In plötzlicher Verärgerung schob Pilar es von sich weg, sodass es unter Richards zusammengefalteter Bettdecke verschwand. Wurde man die mütterlichen Ängste niemals los? Hinzu kamen die Erinnerungen an Filme, in denen jemand durch ein dunkles Haus schlich, während die Frau allein im Schlafzimmer lag. Auch der Vorfall aus ihrer Kindheit, als ihre Schwester auf dem Balkon einen Mann erblickt hatte, der sich an der Tür zu schaffen machte, wich nicht aus ihrem Kopf. Sie selbst war zwei Jahre alt gewesen; sie wusste nicht, wie es wirklich gewesen war, hatte aber viele Male davon geträumt. Womöglich hatte Isabell die Geschichte erfunden, damit die kleine Schwester sich gruselte.
    Pilar widmete sich wieder dem Kriminalroman. Der Kommissar hatte Probleme mit der Exfrau und der Exgeliebten. Nachts rief jemand an, es gäbe eine dritte Leiche. Ein weiterer bestialischer Mord, der nicht verhindern konnte, dass Pilar die Augen zufielen. »Lass auf alle Fälle das Licht an«, hatte Mama gesagt.
    Das Licht der Nachttischlampe war zu grell. Pilar schob sie ein Stück von sich weg, aber das Licht störte immer noch. Wie albern, bei Licht schlafen zu wollen wie ein kleines Kind, das sich im Dunkeln fürchtet! Sie knipste die Lampe aus.
    Es war stockfinster im Zimmer. Sie hatte die Rollläden ganz heruntergelassen, sodass sie nicht mal sehen konnte, ob der Mond schien. Hätte sie wenigstens das Licht im Flur brennen gelassen! Aber sich jetzt noch mal aufzurappeln, um es anzuschalten, schien ihr nahezu unmöglich.
    Bald schon legte sich Nebel über ihre Gedanken. Wie auf einer Wolke segelte sie weit weg in eine friedliche Region.
    Es war der Schmerz in der Schulter, der Pilar weckte, schneidend, als säße an ihrem Schlüsselbein eine Klinge, die sich drehte. Sie hatte den Arm falsch bewegt oder das Gewicht zu sehr nach links verlagert. Unerträglich, sie brauchte eine Tablette! Sie tastete rechts neben sich auf dem Nachttisch herum, fand die Packung nicht und stieß das Wasserglas um. Mit Daumen und Zeigefinger erwischte sie es noch am Rand, ein Teil des Wassers schwappte heraus.
    Sie suchte den Knopf der Nachttischlampe, aber sie kam nicht dran. Sie musste näher heranrücken, was, ohne die linke Schulter zu bewegen, ein mühsames Unterfangen war. Schließlich schaffte sie es. Ihr Zeigefinger fand den Knopf und drückte.
    Es blieb dunkel.
    Pilar drückte noch einmal. Nichts. Wahrscheinlich war die Birne kaputt. Vorsichtig lehnte sie sich in die Kissen zurück. Der Schmerz, mit dem sie aufgewacht war, verebbte. Sie sollte es ohne Tablette versuchen und sich erst morgen früh die nächste gönnen. Wie spät war es überhaupt?
    Sie wandte sich dem Nachttisch auf Richards Bettseite zu, wo der Radiowecker stand. Die Digitalanzeige war nicht zu sehen. Keine roten Zahlen. Völlige Dunkelheit.
    Stromausfall? Möglicherweise ein Kurzschluss, weil irgendwo ein Kabel durchgeschmort war. Sie setzte sich wieder auf und schnupperte. Zu riechen war nichts. Isabell hatte mal einen Schwelbrand hinter der Spülmaschine gehabt; so was könne das ganze Haus in Brand setzen, hatte ihr Elektriker gemeint.
    Besser mal nachschauen, sagte sich Pilar. Zu blöd, dass sie nicht wusste, wo eine Taschenlampe lag. Hatten sie überhaupt noch eine? Es war Jahre her, dass sie zuletzt eine Taschenlampe benutzt hatten. Irgendwann funktionierte sie nicht mehr. Vielleicht hätten sie nur neue Batterien kaufen müssen, was in Vergessenheit geraten war, weil man meistens ohne Taschenlampe auskam.
    Ein Geräusch.
    Hatte das Bett geknarrt? Die Katze sich bewegt? Der Laut war sehr schwach gewesen. Wohl doch nicht im Zimmer, eher in der Diele.
    Pilar lauschte mit angehaltenem Atem. Manchmal knackte das Holz der Deckenbalken, aber das hörte sich anders an. Sie drehte ihren Körper langsam, als könnte er bei der geringsten Erschütterung auseinanderbrechen, und setzte die Füße sachte auf den Bettvorleger.
    Wieder ein Geräusch, kaum deutlicher als das vorherige. Ein leichtes Klacken, als hätte jemand ein Möbelstück berührt.
    Pilar presste ihre Hand vor den Mund, um nicht aufzustöhnen. Ihr fiel etwas Furchtbares ein, eine ganze Kette von Überlegungen. Ihr wurde eiskalt. Was war mit dem Haustürschlüssel im Windlicht? Wie war es möglich, dass Richy behauptet hatte, ihn dort

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