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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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sein.«
    »Und einer aus meiner Gruppe hat ihm die Kiste mit dem Messer gebracht? Woher sollten sie sich kennen?«
    »Wenn’s ein Mädchen war, vom letzten Karneval. Stell dir eine volle Bonner Kneipe vor, wo jeder mit jedem tanzt, die Biere von Hand zu Hand gehen und die Musik das Übrige tut – da schleppt so ein reifer Mann schon mal ein Mädchen ab, das ihn wie einen Märchenprinzen anhimmelt.«
    »Und dann wurde daraus ein festes Verhältnis«, murmelte Pilar, die sich ziemlich sicher war, dass Holzbeisser, der ihr sehr norddeutsch vorkam, beim Kneipenkarneval nicht anzutreffen war.
    Vera gähnte. »Schluss jetzt. Ich hab morgen die ersten Stunden Leistungskurs und muss noch was vorbereiten. Wenn ich im Ruhestand bin, mache ich ein Detektivbüro auf. Die Begabung dafür habe ich.«
    Jedenfalls hat sie das nötige Selbstbewusstsein, dachte Pilar.
    In der offenen Haustür drehte sich Vera noch einmal um. »Wie soll ich mich verhalten, wenn jemand nach dir fragt? Das Gerücht bestätigen? Ein halbes Dutzend Knochen kaputt?«
    »Ja, lass es dabei.« Pilar wusste selbst nicht, warum sie das sagte. Wollte sie allgemeines Mitleid erregen?
    »Morgen helfe ich dir beim Aufräumen. Lass alles so liegen.«
    Pilar sah der zukünftigen Detektivin durchs Küchenfenster nach, bis sie um die Ecke bog. Bei einem Mord kam es ihr immer so vor, als bewegten Entschluss und Durchführung sich zwischen zwei Polen: Leidenschaft und Kaltblütigkeit. Feuer und Eis. Das musste man einem Menschen doch ansehen! Freddy hatte erzählt, dass er während seiner Referendarzeit in der Justizvollzugsanstalt ein paar verurteilten Mördern begegnet war. Nichts unterschied sie äußerlich von anderen, Pilar, wirklich nichts. Typisch Freddy, bloß keine Vorurteile.
    Es war dunkel geworden. Die Straße glänzte feucht, in den Astgabeln der Büsche hingen wie Fetzen von Watte ein paar Schneereste. Pilar blickte auf das herumstehende Geschirr, die Marmeladenflecken und Apfelsinenschalen, das zerdrückte Teelicht und die Wäscheleine, die seit einer Woche in den Keller sollte. Mit einem Mal fühlte sie sich schlapp und müde. Sie wollte früh zu Bett gehen. Sie würde noch etwas lesen, eine Schmerztablette nehmen und bald das Licht löschen. Vor allem wollte sie nicht mehr nachdenken. Es war ermüdend und führte zu nichts. Nachbarinnen, die nach Mördern suchten – so was Albernes.

AM NEUNTEN TAG DANACH
    Nadja!
    Er war bei ihr. Befürchtet hatte ich es schon, als ich von Weitem sah, wie er in ihre Straße einbog. Aber als ich von der Ecke aus feststellte, dass er auf ihr Haus zuging, war es ein gewaltiger Schock. Sie hat nichts begriffen. Sonst hätte sie ihn nicht hereingelassen. Wahrscheinlich hat sie ihn sogar angerufen, damit er zu ihr kommt, weil ihr Mann verreist ist.
    Ist es nicht grausam? Musste ich nicht schon genug ertragen? Was habe ich erdulden und mir anhören müssen: Schreckliche Zeiten hätte man mit mir durchgemacht, verlorene Jahre mit Terror und seelischer Knebelung, ein Gefangenendasein! Du weißt, dass es böswillige Lügen sind, die nur dem Zweck dienen, mich zu erniedrigen, damit ich mich fühle wie Dreck. Nur er, Nadja, war nicht von dieser Art. Er war der Einzige, der mich jemals um Verständnis bat.
    Ich kann nicht mehr, Nadja. Die Abende, die Stille, die Gewissheit, unaufhaltsam zu altern. Jede Ablenkung ist schal und sinnlos, wenn man danach in die Leere zurückkehrt, vor sich eine endlose Reihe von Abenden ohne ein anderes Gegenüber als das Spiegelbild im Flur und dahinter die Schwärze der Nacht.
    Ich darf mich nicht noch mal verdrängen lassen. Jetzt aufgeben hieße, mich selbst in den Abgrund stoßen. Ich habe es in der Hand, ich bin bestens vorbereitet und habe alles bedacht. Es kann nichts schiefgehen. Das Schicksal ist auf meiner Seite: Sie ist allein im Haus und durch die Verletzungen eingeschränkt, ich habe mich umgehört. Sie wird Schmerzmittel nehmen und gewiss auch ein Schlafmittel.
    Dir alles Liebe,
    Chris

FÜNFZEHN
    Pilar las den angefangenen Kriminalroman im Bett weiter, drei Kissen im Rücken, Goethe mit seinem Plastikschirm am Fußende, die sanften Klänge eines Harfenkonzerts im Ohr, einen halb gefüllten Kognakschwenker auf dem Nachttisch. Alkohol und Schmerzmittel … Vielleicht sollte sie das lieber lassen. Aber sie wollte schlafen können und an nichts denken müssen. Sicherheitshalber schluckte sie noch ein »Baldrian Forte für die Nacht«.
    Das Harfenkonzert klang in weichen Akkorden aus. Nun

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