Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
Vom Netzwerk:
haben das perfekt drauf, Senta auf ihre bittere Art und sie«, Pilar deutete mit dem Kinn zur Tür, »auf die charmante.«
    Frau Fischmann erschien mit der letzten Requisitenkiste, die im Takt ihrer Schritte leise klirrte.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Pilar.
    »Denken Sie ans Anrufen.« Frau Fischmann zeigte auf Pilars Hosentasche, in der ihre Karte verschwunden war.
    Die Tür fiel hinter Frau Fischmann zu.
    »Natürlich werde ich nicht anrufen. Obwohl es mir dreckig geht. Heut Nacht hat einer versucht, mich umzubringen.«
    Im ersten Moment glaubte Freddy, sich verhört zu haben. Pilar hatte das so locker daher gesagt, als wäre zu unpassender Zeit Besuch gekommen.
    »Mit meinem eigenen Hammer. Genauer gesagt: mit dem meiner Schwiegermutter.«
    »Wieder was von ihr? Wie stehst du mit deiner Schwiegermama?«
    »Im Ernst, Freddy. Ich war im Bett und bin nur knapp davongekommen.«
    Pilar war schon dabei, die Theatersachen durchzusehen, und berichtete unterdessen von den Einzelheiten der vergangenen Nacht. Nur langsam gewöhnte sich Freddy an den Gedanken, dass sie von etwas sprach, das wirklich geschehen war.
    »Messer und Hammer lagen beide im gelben Kasten, stammen beide von der Schwiegermama. Warum nicht ein eigenwilliger Serientäter?«, witzelte Freddy, merkte aber, dass Pilar kaum zuhörte. »Fehlt sonst noch was? Man kann auch mit der Schere morden.«
    »Die war am Freitag noch da.« Es klang abwesend. »Freddy, das hier ist alles schön gefaltet, aber –«
    »Hat Frau Fischmann gemacht.«
    »… was zusammengehört, liegt nicht beieinander. Ich muss das sortieren. Bei Theatersachen bin ich pingelig wie die Leiterin eines Mädchenpensionats im 19.   Jahrhundert.«
    »Willst du das etwa jetzt machen?«
    »Sonst finde ich später nichts mehr. Und wenn ich mal wieder eine Theatergruppe habe …«
    »Dein Optimismus ist lobenswert.«
    »Woanders natürlich. In der Südstadt zum Beispiel.«
    Pilar zog ein paar Kleidungsstücke aus den Kisten und ließ sie auf den Boden fallen. Das Hinunterbeugen schien ihr Schmerzen zu bereiten.
    »Lass mal, Pilar. Sag mir, was ich tun soll.«
    »Alle Sachen für alte Damen gehören zusammen. Braunes Kostüm, weiter Mantel, altmodische Brillen, Hüte. Auch die Verbrecherklamotten: dunkle Hemden, Westen, Kappen, Strumpfmasken. Schmuck und Seidentücher gehören zur Ausstattung eleganter Frauen, Regenmantel und Herrenbrille sind Kriminalkommissar-Sachen und so weiter.«
    Freddy stellte die Kisten nebeneinander auf die Truhe, damit Pilar besser drankam. Sie reichte ihm jedes einzelne Stück und sagte ihm, auf welchen Stapel es gehörte. Freddy musste ein paarmal niesen.
    »Stauballergie?«, fragte Pilar.
    »Meint Frau Fischmann auch. Sie hält einen Allergietest für notwendig und hat mir einen Arzt empfohlen. Samt Telefonnummer und Adresse.«
    »Das gibt es nicht!«
    »Sie ist eben fürsorglich.«
    »Ich meine das hier: Den Omahut mit der Lederschleife, die braune Jacke und den weiten Rock aus den sechziger Jahren …«
    »So alt ist das Zeug?«
    »Als ich mit der Gruppe anfing, hab ich von Leuten, die ihren Keller ausmisten wollten, solche Sachen bekommen. Die originellsten hab ich behalten, das Übrige ist in der Altkleidersammlung gelandet.«
    »Damit kannst du ein Dutzend abgefahrener Typen ausstatten.«
    »Musste ich ja. Außer Kevin hatten alle zwei oder drei Rollen.«
    »Und warum starrst du diesen sackartigen Zweiteiler so an? Fehlt was?«
    »Das hätte mir heut Nacht schon auffallen müssen.«
    »Was?«
    »Seit dem Raubüberfall vor ein paar Wochen haben die alten Damen viel zu viel Angst, um nach Mitternacht noch draußen unterwegs zu sein. Aber letzte Nacht, direkt nach dem Angriff, habe ich eine hier in unserer Straße gesehen. Schätzungsweise halb drei. Sie hat das braune Kostüm getragen!«
    »Das hast du im Dunkeln sehen können?«
    »Vorm Haus steht eine Laterne, Freddy. Und wenn sie diese Sachen anhatte, war es keine alte Frau, sondern eine Person, die sich als alte Frau verkleidet hat!«
    »Hast du ihr Gesicht gesehen?«
    Pilar ließ sich mit einem Seufzer in den Korbsessel neben der Garderobe sinken. »Ich habe sie nur von hinten gesehen. Und es war nebelig.«
    Sie stand wieder auf und schritt vor der Truhe auf und ab. »Freddy, es ist immer dasselbe: Ich zweifele an meinen eigenen Wahrnehmungen. Dabei war ich mir eben noch so sicher!«
    Freddy kannte das, ihm war es auch schon so ergangen. In seiner Referendarzeit aber hatte er das Gegenteil erlebt.

Weitere Kostenlose Bücher