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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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sich denn da zum Schlafen hin, hatte sie sich verteidigt, direkt ans Wasser, in diesen Dreck, der muss schon vorher tot gewesen sein! Das leuchtete allen ein, und jeder hatte eine andere Theorie: Herzinfarkt. Gehirnschlag. Überdosis Drogen. Ermordet. Vom Jäger mit einem Wildschwein verwechselt.
    »Wir sollten ihn rausholen«, meinte einer. Aber das traute sich keiner. Polizei anrufen, schlug irgendwer vor. Vivi und Katie heulten auf und schrien wie verrückt nein, das ginge nicht wegen Marvin. Er und Bobbi hätten das Motorrad irgendwo mitgehen lassen, er würde sie killen , wenn was durchsickerte. »Was geht uns Marvin an?«, fragte Tommy, meinte dann aber auch, dass Polizei scheiße wäre, erstens für Sarah, weil sie den Mann vielleicht doch totgefahren hatte, und zweitens für die ganze Gruppe, weil jeder von ihnen da mit drinhing. Plötzlich waren alle gegen Polizei, und Sarah war sauschlecht. Aber was danach kam … Sie waren hackedicht gewesen, besoffen wie noch nie. Sonst wäre das nicht passiert.
    Sarah schreckte hoch und kippte beinah von der Lehne. Die anderen schlenderten lärmend heran, mit Teilchen und Colabüchsen. Es ging nicht mehr, sie konnte Yannick jetzt nicht anrufen. Später vielleicht. In der Nacht.
    * * *
    Bald nachdem Freddy fortgefahren war, rief Pilar bei Vera an. Es meldete sich ihre Tochter Marie, die aus Island zurückgekehrt war.
    »Mama kannst du nicht sprechen«, sagte die Zwanzigjährige mit einer Stimme, die Pilar ans nördliche Eismeer denken ließ.
    »Ist sie noch nicht aus der Schule zurück?«
    »Doch.«
    »Aber?«
    »Krank.«
    »Oje. Was hat sie?«
    »Vierzig Grad Fieber.«
    »Ach du Schreck. Bestell ihr bitte gute Besserung.«
    »Mach ich.«
    Pilar überlegte, ob sie jetzt schon Freddy anrufen sollte, damit er sich darauf einstellen konnte, dass sie am Abend mit Schlafsachen anrücken würde. Sie scrollte im Adressbuch des Telefons bis zu Freddys Mobilnummer. Der Kater maunzte heiser und strich um ihre Beine. Er stellte sich auf das intakte Hinterbein und versuchte, sich mit den Krallen seiner Vorderpfoten an ihrem Hosenbein festzuhalten. Der Plastikschirm war im Weg und stieß an ihre Kniescheibe. Armer Goethe. Wenn sie die Nacht in Freddys Häuschen verbrachte, musste er hierbleiben. Mit dem Riesenschirm um den Kopf würde er sich womöglich zwischen den Möbeln verkeilen und sich nicht selbst befreien können. Aber ihn mitnehmen? Freddys Billy war ein engagierter Katzenjäger. Goethe wäre nicht in der Lage, auf den Schrank zu fliehen – mit dem Kragen passte er nicht mal darunter. Er würde sich zitternd irgendwo verschanzen, und der quirlige Billy würde herumspringen und ihn mit hoher Stimme ankläffen.
    Ihr fielen noch andere Freunde ein, die vielleicht ein Bett für sie hätten. Keiner von ihnen wäre begeistert, wenn sie mit einem Kater auftauchte. Und Goethe wäre verzweifelt, weil die fremde Umgebung ihn in Panik versetzen würde.
    Der Kater saß vor ihr und sah sie aus seinen Riesenaugen an. Er schnurrte leise.
    »Du hast recht«, sagte sie. »Ich kann dich nicht allein lassen.«
    Der Kater schnurrte lauter.
    »Wir stehen es gemeinsam durch. Wir holen uns Nogger rüber«, beschloss Pilar. »Den magst du zwar auch nicht, aber es wird schon gehen. Okay?«
    Gegen Abend ging Pilar hinüber zu Ebels und klingelte. Sylvia trug einen tief ausgeschnittenen Anzug aus schillerndem Stoff, von dem Pilar nicht wusste, ob er Partydress, Hausanzug oder Schlafanzug war. Jedenfalls vermittelte der Anblick dieses Kleidungsstücks ihr den Eindruck, dass sie störte.
    »Entschuldige, ich hätte erst anrufen sollen«, sagte sie.
    »Wie geht es dir, kann ich was helfen? Du siehst fix und fertig aus! Ist es so schlimm? Brauchst du irgendwas?«
    Pilar erzählte in groben Zügen, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Hinter Sylvia im Haus lief zarte Musik. Vor der Haustür wurde es allmählich kalt.
    »So was Brutales«, sagte Sylvia. »Möchtest du ein Beruhigungsmittel?«
    »Leih mir lieber den Hund. Nur für heute Nacht.«
    »Du kannst bei uns schlafen, wir haben ein Gästebett.«
    Pilar erklärte, dass sie wegen der Katze zu Hause bleiben wolle. Sylvia nickte mehrmals und schien erleichtert zu sein, nicht mehr leisten zu müssen, als ihren Hund herzugeben. Sylvias Job als Anästhesistin war anstrengend, das wusste Pilar; sie verließ noch vor sieben das Haus und stand mehrere Stunden am Operationstisch. Sie war sicher nicht scharf auf einen Übernachtungsgast.
    Wieder zu

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