KR088 - Ich fing den Fänger
Crawborn ist überhaupt ein seelenguter Mensch. Seit gestern morgen hat er die Kinder seines Bruders bei sich. Zwei richtige Rangen, einen Jungen und ein kleines Mädchen. Das ist doch eine ungeheure Belastung für einen Junggesellen, aber er sagte, die Kinder hätten unbedingt einige Tage gutes Essen nötig. Man sah es ihnen an. Richtig verhungert schauten sie aus. Mr. Crawborn sorgt rührend für sie. Wirklich, er ist ein richtiger Kinderfreund. Zu schade, dass der Mann nicht verheiratet ist und eigene Kinder hat. Er wäre ein wundervoller Vater. Warum sagten Sie übrigens vorhin, ich solle in meine Wohnung gehen?«
Sie ahnte nicht, welche niederschmetternde Nachricht sie uns in ihrem Redestrom machte. Crawborn hatte sich gesichert. Crawborn hatte Kinder in seiner Wohnung.
»Sind die anderen Herren auch von Ihrer Firma?«, erkundigte sich meine wortfreudige Gewährsmännin.
»Gehen Sie bitte in Ihre Wohnung, machen Sie die Tür zu, und kommen Sie nicht früher heraus, bis wir es Ihnen erlauben«, sagte ich. »Polizei«!
»Wollen wir versuchen, ob wir ihn überrumpeln können?«, fragte Mr. High.
Ich zuckte die Achseln. »Wir können es versuchen, aber er wird auf keinen Trick hereinfallen.«
Wir stiegen die Treppe zur ersten Etage empor. Mr. High läutete an der Tür mit dem Namensschild Crawborn.
Es wurde nicht geöffnet, aber wir hörten das Schlurfen von Schritten. »Wer ist da?«, fragte Crawborn.
»Ein Telegramm«, antwortete Phil schnell.
»Werfen Sie es durch den Briefschlitz.«
»Ich brauche Ihre Unterschrift, Sir.«
»Öffnen Sie das Telegramm, und lesen Sie es vor.«
»Aber das ist völlig ungewöhnlich, Sir«, stammelte er. »Es ist sogar verboten.«
Die kurze Komödie war zu Ende. Crawborn hatte sie durchschaut. »Schert euch zum Henker!«, brüllte er. »Ich lasse mich nicht auf den Arm nehmen. Ihr seid von der Polizei.«
»Richtig geraten, Fänger«, nahm Mr. High das Wort. »Wir sind von der Polizei, und Sie haben keine Chance mehr. Ihre Leute sind alle gefasst.«
»Lüge! Meine Leute sind frei.«
»Meinst du, weil Brent dich gestern anrief?«, sagte ich. »Ich stand neben ihm in der Telefonzelle, als er mit dir sprach.«
»Treed?«, fragte er entsetzt.
»Ja«, antwortete ich, »und mein richtiger Name lautet Cotton, und ich gehöre zum FBI wie die anderen Gentlemen in meiner Begleitung.«
Seine Antwort waren drei Revolverschüsse, unter denen die Tür zersplitterte. Wir sprangen zur Seite und pressten uns an die Wand.
»Ist deine Wut verraucht?«, fragte ich.
Wir hörten, wie er keuchte. »Ihr bekommt mich trotzdem nicht«, stieß er hervor. »Holt mich doch! Brecht doch die Tür auf. Kommt herein, aber dann sterben zwei Kinder. Glaubt ihr’s nicht, dass ich Kinder hier habe?« Er rief: »Sid, Ann! Kommt her. Kommt schnell zum guten Onkel Sam! Aha, da seid ihr. Habt ihr gut geschlafen? Draußen vor der Tür stehen einige Herren. Sagt ihnen guten Tag durch die Tür!«
»Warum kommen sie nicht herein?«, fragte ein Junge.
»Hast du es gehört, Treed oder Cotton oder wie du dich sonst nennen magst«, heulte Crawborn. »Das war Sid, und sein Schwesterchen steht neben ihm und hält seine Hand. Es sind keine besonderen Kinder. Keine Millionärssprösslinge, wie ich sie mir sonst holte. Es sind Kinder von irgendwelchen armen Einwanderern. Ich holte sie mir von der Straße. Ein paar Bonbons genügten, und sie gingen freiwillig mit. Vielleicht ist euch das Leben solcher Kinder nicht soviel wert, als wenn die Eltern reiche Leute sind. Dann kommt herein, kommt ruhig herein!«
»Sie wissen, dass er Ernst macht, wenn wir es mit Gewalt versuchen«, sagte der Chef.
Ich wurde wild. »Ich habe Forester laufen lassen müssen, weil er ein Kind bedrohte. Forester war ein Gangster, aber nicht so ein Schwein wie Crawborn. Wir können den ›Kinderfreund‹ nicht entwischen lassen.«
»Wollen Sie, dass er die Kinder tötet?«, fragte Mr. High.
Wir traten auf die Straße. Der Chef winkte den G-men in den Wagen. »Sperrt die Straße ab.«
Phil zeigte nach oben. »Ich glaube, er steht dort hinter dem Fenster. Ich sah etwas hinter der Gardine.«
Ich brüllte hinauf: »He Crawborn, ich komme jetzt hinauf, um mit dir zu verhandeln. Ich habe keine Waffen bei mir. Sieh her!«
Ich zog die Jacke aus, legte sie auf die Erde, band die Schulterhalter mit dem Colt ab und legte sie daneben. Dann ging ich wieder ins Haus zur ersten Etage hinauf.
»Crawborn?«, fragte ich durch die Tür. »Hast du gesehen,
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