Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KR088 - Ich fing den Fänger

KR088 - Ich fing den Fänger

Titel: KR088 - Ich fing den Fänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
Vom Netzwerk:
Langsam ertastete ich mir in dem schmalen Lichtkegel den Weg durch das Chaos. Irgendwo gluckste Wasser. Der nasse Lehm haftete zäh an meinen Schuhsohlen. Jeder Schritt verursachte ein schmatzendes Geräusch. Ein Kran reckte seinen Arm in die Nacht, eine Betonmischmaschine wuchs wie ein Riese vor mir hoch.
    Ich versuchte die Entfernung abzuschätzen, die mich noch von meinen Gastgebern trennte. Es mochten dreihundert Yard sein. Hier war der Baugrund kaum erschlossen, nur die Fundamentgruben waren ausgehoben. Ich überlegte gerade, ob mir eine dieser Gruben, in denen das Grundwasser stand, wohl als Grab zugedacht sei, als der Lichtschein des Empfangsscheinwerfers zum ersten Mal über mein Gesicht glitt. Er erlosch sofort wieder, aber ich wusste, dass ich mich von nun an gewissermaßen in Greifweite des Fängers befand. Ich löschte auch meine Lampe. Ich konnte schließlich nicht als beleuchtetes Zielobjekt herankommen.
    Yard um Yard arbeitete ich mich vorwärts. Ich zählte die Schritte, und als ich höchstens noch dreißig oder vierzig Yard vom Ausgangspunkt des Lichtes sein musste, blieb ich stehen und hockte mich nieder. Ich fühlte den nassen Lehm an meinen Knien.
    Ich wartete. Das Leuchtzifferblatt der Armbanduhr hatte ich nach innen gedreht. Es war halb zwölf vorbei, und mir konnte es nur recht sein, wenn möglichst viel Zeit verging.
    An die fünfzig G-men, verteilt in den Häusern der 67. Straße, warteten darauf, dass es Mitternacht wurde oder dass sie einen Schuss hörten. In beiden’ Fällen würden sie herausbrechen und den Fall des Fängers mit Gewalt zu erledigen versuchen.
    Weitere fünf Minuten verstrichen. Die Situation wurde langsam komisch. Offenbar lauerten beide Parteien auf einen Fehler des anderen, und keine wagte sich zuerst zu rühren.
    Doch dann hörte ich, wie sich jemand räusperte, und kurz danach zischte eine Stimme: »He, bist du in der Nähe? Gib dich zu erkennen.«
    »Hier!«, rief ich, sprang aber im gleichen Augenblick auf und wechselte meinen Standort.
    Ein Taschenlampenkegel schnitt durch die Nacht und erfasste die Stelle, an der ich noch vor einer halben Sekunde gehockt hatte. Ich erkannte, dass er hinter einem Berg von Ziegelsteinen hervorkam, den sich meine neuen Geschäftspartner als Deckung für ein eventuelles Feuergefecht ausgesucht hatten. Das Licht genügte, um mir zu zeigen, dass wenige Schritte seitlich von mir ein gleicher Steinhaufen lag. Ich schnellte mich hoch und verschwand dahinter.
    Die anderen hatten meine Bewegung bemerkt, aber ihr Licht kam zu spät. Ich lag schon in Deckung. Die harten Ziegelsteine waren zwar gerade kein Daunenbett, aber nun stand die Partie einigermaßen gleich.
    »So«, sagte ich laut, »jetzt können wir verhandeln. Ist der Mann bei euch, der sich Longfield nennt?«
    Drüben zögerten sie, dann antwortete eine Stimme: »Ja, ich bin hier.«
    Ich stutzte. Ich kannte die Stimme, aber ich war zu jeder Wette bereit, dass ich sie am Strand von Brospeer, jedoch nicht am Telefon gehört hatte.
    »Lüge nicht«, rief ich. »Du bist nicht der Mann, mit dem ich telefoniert habe. Wo ist dein Chef? Ich verhandele nur mit ihm selbst.«
    Der Mann auf der anderen Seite knurrte einige Flüche, dann bequemte er sich doch, einzugestehen, dass Longfield nicht bei ihm sei.
    »Hatte etwas anderes vor«, knurrte er. »Aber ich habe das Geld für dich bei mir und die Anweisungen, was du für uns tun sollst.«
    »Hast du auch die Anweisung, mir eine Kugel zu verpassen?«, fragte ich. »Wenn ich absolut Geld von euch bekommen soll, bringe es her.«
    Der Vorschlag schien ihm gar nicht zu behagen. »Du hast Dive umgelegt.«
    »Dive wollte es mir besorgen, Freund, aber ich schieße nicht grundlos. Hältst du dich ruhig, lasse ich dich ungeschoren.«
    Ich hörte, wie er mit seinen Kumpanen flüsterte. Dann rief er: »Also gut, ich komme. Der Chef hat gesagt, dass du im Grunde genommen zu uns gehörst.«
    »Wie viele seid Ihr?«, fragte ich.
    »Zwei«, antwortete er.
    Ich fühlte, dass er log. Jimmy Zoupe abgerechnet, mussten es noch drei in der Bande sein, und ich war überzeugt, dass sie alle drei hier steckten. Vielleicht hofften sie, einer von ihnen könnte sich in meinen Rücken schleichen, während ich mit dem Anführer sprach.
    Es war zehn Minuten vor zwölf. Zehn Minuten also musste ich sie noch hinhalten.
    »Also gut«, sagte ich. »Komm her!« Ich kroch etwas höher den Steinhaufen hinauf, klemmte die Taschenlampe zwischen zwei Steine, knipste sie an und

Weitere Kostenlose Bücher