KR088 - Ich fing den Fänger
richtete den Strahl auf den Ziegelberg gegenüber.
Drüben polterten die Steine. Im Lichtkegel erschienen Kopf, Schultern, dann die ganze Gestalt eines Mannes. Ich kannte ihn nicht. Er war mittelgroß, breitschultrig und hatte ein breites, kantiges Gesicht. Er trug eine Pistole in der linken Hand.
»Na, na, na«, tadelte ich. »Man kommt zu einem Freundschaftsbesuch doch nicht mit Waffen. Steck das Eisen weg!«
»Richte die Taschenlampe anders«, antwortete er. »Ich werde geblendet.«. Er steckte die Pistole in die linke Jackentasche.
Eine Korrektheit war die andere wert. Ich veränderte die Haltung der Lampe, so dass der Schein jetzt seine Füße traf.
Er ging langsam weiter und kam um meinen Ziegelhaufen herum. Ich richtete mich auf. Wir standen uns wenige Schritte gegenüber.
»’n Abend«, sagte er.
Ich fingerte mit der Linken meine Zigarettenschachtel aus der Tasche und bot sie ihm an. Er nahm eine Zigarette, und auch ich bediente mich. Er brachte ein Feuerzeug zum Vorschein und wollte mir die Flamme anbieten, aber ich wollte ihn nicht so nah heranlassen und zog vor, mein eigenes Feuerzeug zu benutzen.
Da standen wir nun, jeder eine Zigarette zwischen den Lippen, jeder eine Kanone in der Tasche, und grinsten uns an.
»Findest du es nicht seltsam, dass dein Chef euch allein hierherziehen lässt?«, setzte ich die Unterhaltung fort. »Hat er Angst?«
»Vor wem?«, stellte er sich dumm. »Ich denke, wir sind Freunde.«
Er senkte eine Hand in die Tasche. Ich hob die Rechte in Brusthöhe.
»Du bist verdammt misstrauisch«, sagte er, »aber ich will dir nur den Umschlag mit den Dollars geben.«
Er produzierte tatsächlich einen Briefumschlag hervor und hielt ihn mir hin.
Ich nahm ihn nicht. Noch während er sprach, hatte ich Geräusche gehört – ein Stück Lehm, das ins Wasser platschte, ein Stein, der an einen anderen stieß.
»Übrigens heiße ich Brent«, sagte mein Gegenüber, »aber meine Freunde sagen Jo zu mir. Willst du die Moneten nicht?«
Ich fasste ihn scharf ins Auge. »Am besten sagst du deinen Freunden, sie sollen nicht in meinem Rücken herumkriechen«, antwortete ich. Ich drehte das linke Handgelenk. Eine Minute noch bis zwölf.
»Quatsch«, sagte Jo. »Nur Per ist noch hier, und er sitzt hinter den Ziegeln.« Er wandte den Kopf. »Hallo, Per, zeige dich dem Mann.«
Ich beging einen scheußlichen Fehler. Ich sah tatsächlich zu dem anderen Ziegelhügel hinüber, und ich schwenkte auch die Taschenlampe in diese Richtung. Ich sah auch noch den Kopf eines Mannes, aber genau in diesem Augenblick stürzte sich Jo Brent auf mich.
Er bekam mich zu fassen, beide Fäuste um meinen Hals. Ich fiel nach hinten in den Lehm, verlor die Taschenlampe, die ein Stückchen weiterrollte, aber brannte. Brent lag auf mir und drückte mir die Luft ab.
»So, mein Junge«, knurrte er zwischen den Zähnen, »jetzt besorgen wir es dir.«
Irgendein zweiter stürzte sich auf mich und hielt mir die Beine fest, ein dritter griff nach meinen Armen. Brents Hand tastete in meine Brusttasche. Er nahm mir meinen 38er weg. Dann ließen sie mich los.
Die Lichtstrahlen von zwei Taschenlampen leuchteten mir in mein verschmiertes Gesicht.
»Aufstehen!«, befahl Brent, und ich wusste, dass er aus der Dunkelheit heraus meinen eigenen Revolver auf mich gerichtet hielt.
Ich rappelte mich hoch und wischte mir den Dreck vom Mund.
Der Anführer lachte hässlich. »Wir werden dich zum Chef bringen. Er möchte dich gern sehen. Ich glaube, er hat noch eine kleine Rechnung mit dir zu begleichen, aber er gab ausdrücklich den Befehl, dich ohne weiteres umzulegen, wenn du irgendwelche Schwierigkeiten machst. Vorwärts also!« Von irgendwoher schlug leise eine Kirchturmuhr an. Zwölf Uhr, aber nur der erste Schlag der Mitternacht war zu hören, die nächsten gingen schon unter im Heulen von Sirenen, Brausen von Automotoren, Quietschen von Bremsen.
»Cops!«, schrie Brent. »Licht aus! Packt ihn!«
Die Taschenlampen erloschen. Ich fühlte Fäuste an meinem Körper, aber ich sah gleichzeitig meine verlorene Taschenlampe, halb im Lehm steckend, immer noch brennen.
Ich spannte die Schultern und stieß die Ellbogen nach rechts und links. Einen traf ich in den Magen. Er schnappte nach Luft. Der andere verlor mich aus dem Griff. In einem langen Sprung hechtete ich zu der Stelle, wo die Lampe brannte. Ich bekam sie zu fassen, richtete mich auf den Knien auf und schleuderte sie mit aller Kraft in die Luft. Sie beschrieb einen großen
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