Krabat (German Edition)
die Ohren!«
Der Meister verließ die Gesindestube – krach!, fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Die Burschen begannen aufs Neue draufloszulöffeln, doch Krabat war plötzlich satt. Ratlos starrte er auf die Tischplatte, keiner beachtete ihn. Oder ja?
Als er aufblickte, schaute Tonda zu ihm herüber und nickte ihm zu – kaum merklich zwar, doch der Junge war dankbar dafür. Es war gut, einen Freund zu haben in dieser Mühle, das spürte er.
Nach dem Frühstück gingen die Mühlknappen an die Arbeit, Krabat verließ mit den anderen die Gesindestube. Im Flur stand der Meister, er winkte ihm mit der Hand, sagte: »Mitkommen!« Krabat folgte dem Müller ins Freie. Die Sonne schien, es war windstill und kalt, an den Bäumen hing Raureif.
Der Meister führte ihn hinter die Mühle, dort war eine Tür in der Rückwand des Hauses, die öffnete er. Dann betraten sie miteinander die Mehlkammer, einen niedrigen Raum mit zwei winzigen Fensterchen, blind von Mehlstaub. Mehlstaub auch auf dem Fußboden, an den Wänden und fingerdick auf dem eichenen Wiegebalken, der unter der Decke hing.
»Ausfegen!«, sagte der Meister. Er zeigte auf einen Besen neben der Tür, überließ dann den Jungen sich selbst und ging fort.
Krabat machte sich an die Arbeit. Nach wenigen Besenstrichen war er von einer dichten Staubwolke eingehüllt, eine Wolke aus Mehlstaub.
»So geht das nicht«, überlegte er. »Wenn ich bis hinten durch bin, liegt vorn wieder alles voll. Ich werde ein Fenster öffnen … «
Die Fenster waren von außen zugenagelt, die Tür verriegelt. Da konnte er rütteln und mit den Fäusten dagegenschlagen, so viel er wollte: Es half nichts, er war gefangen hier.
Krabat fing an zu schwitzen. Der Mehlstaub verkleisterte ihm das Haar und die Wimpern, er kitzelte in der Nase, er kratzte im Hals. Es war wie ein böser Traum, der kein Ende nahm: Mehlstaub und wieder Mehlstaub in dichten Schwaden, wie Nebel, wie Schneegestöber.
Krabats Atem ging mühsam, er stieß mit der Stirne gegen den Wiegebalken, ihn schwindelte. Sollte er aufgeben?
Doch was würde der Meister sagen, wenn er jetzt einfach den Besen weglegte? Krabat wollte sich’s nicht verscherzen mit ihm, nicht zuletzt, weil er Angst hatte um das gute Essen. So zwang er sich weiterzukehren: von vorne nach hinten, von hinten nach vorn, ohne Unterlass, Stunde um Stunde.
Bis endlich, nach einer halben Ewigkeit, jemand kam und die Tür aufriss: Tonda.
»Komm raus!«, rief er. »Mittag!«
Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen, er torkelte an die Luft, holte keuchend Atem.
Der Altgesell warf einen Blick in die Mehlkammer, dann erklärte er achselzuckend: »Lass gut sein, Krabat – keinem ergeht es am Anfang besser.«
Er murmelte ein paar unverständliche Worte, er schrieb mit der Hand etwas in die Luft. Da erhob sich der Staub in der Kammer, als bliese aus allen Fugen und Ritzen der Wind hervor. Eine Rauchfahne, weiß, stob zur Tür hinaus – über Krabats Kopf weg, dem Walde zu.
Die Kammer war leer gefegt. Blank war sie, bis auf das letzte Stäubchen. Dem Jungen weiteten sich vor Staunen die Augen.
»Wie macht man das?«, fragte er.
Tonda blieb ihm die Antwort schuldig, er meinte: »Lass uns ins Haus gehen, Krabat, die Suppe wird kalt.«
Für Krabat begann eine harte Zeit, der Meister hetzte ihn unbarmherzig zur Arbeit. »Wo steckst du, Krabat? Da sind ein paar Säcke Korn auf den Speicher zu schleppen!«, und: »Krabat, komm her! Das Getreide da, auf dem Schüttboden – schaufle es um, aber richtig von Grund auf, dass es nicht auskeimt!«, oder: »Das Mehl, das du gestern gesiebt hast, Krabat, ist voller Spelzen! Du wirst es dir nach dem Abendbrot hernehmen und bevor es nicht ohne Makel ist, gehst du mir nicht zu Bett!«
Die Mühle im Koselbruch mahlte Tag für Tag, werktags und sonntags, vom frühen Morgen an bis zum Einbruch der Dunkelheit. Nur einmal die Woche, am Freitag, machten die Mühlknappen früher Feierabend als sonst, und samstags begannen sie mit der Arbeit zwei Stunden später.
Wenn Krabat nicht Korn schleppte oder Mehl siebte, musste er Holz spalten, Schnee räumen, Wasser zur Küche tragen, die Pferde striegeln, Mist aus dem Kuhstall karren – kurzum, es gab immer genug zu tun für ihn; und des Abends, wenn er dann auf dem Strohsack lag, war er wie gerädert. Das Kreuz tat ihm weh, die Haut an den Schultern war durchgescheuert, Arme und Beine schmerzten ihn, dass es kaum zu ertragen war.
Krabat bewunderte seine
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