Krabat (German Edition)
Burschen verspotten dich.«
»Tonda nicht«, wandte Juro ein. »Und du auch nicht.«
»Was ändert das!«, widersprach ihm Krabat. »Ich wüsste mir schon zu helfen, wenn ich an deiner Stelle wäre. Ich würde mich wehren, verstehst du, mir nichts mehr gefallen lassen – von Kito nicht und von Andrusch nicht und von keinem anderen!«
»Hm«, meinte Juro, sich im Genick kratzend. »Du vielleicht, Krabat – du könntest das … Aber wenn man ein Dummkopf ist?«
»Dann lauf weg!«, rief der Junge. »Lauf weg hier – und such dir woanders was, wo du’s besser hast!«
»Weglaufen?« Juro wirkte für einen Augenblick gar nicht dumm, nur enttäuscht und müde. »Versuch das mal, Krabat, hier wegzulaufen!«
»Ich hab keinen Grund dazu.«
»Nein«, brummte Juro, »gewiss nicht – und hoffen wir, dass du nie einen haben wirst … « Er steckte ihm einen Kanten Brot in die andere Rocktasche, winkte ab, als der Junge ihm danken wollte, und schob ihn zur Tür hinaus: dümmlich grinsend, wie man’s von ihm gewohnt war.
Krabat hob Brot und Wurstzipfel bis zum Ende des Tages auf. Bald nach dem Abendessen, während es sich die Müllerburschen in der Gesindestube bequem machten, Petar sein Schnitzzeug hervorholte und die anderen anfingen, sich mit Geschichtenerzählen die Zeit zu vertreiben, entfernte der Junge sich aus der Runde und stieg auf den Dachboden, wo er sich gähnend auf seinen Strohsack warf. Er verzehrte das Brot und die Wurst; und während er auf dem Rücken lag und es sich schmecken ließ, musste er unwillkürlich an Juro denken – und an das Gespräch, das sie in der Küche geführt hatten.
»Weglaufen?«, ging es ihm durch den Kopf. »Wovor denn? Die Arbeit, gewiss, ist kein Honiglecken – und hätte ich Tondas Hilfe nicht, stünde es schlimm um mich. Aber das Essen ist gut und reichlich, ich habe ein Dach überm Kopf – und ich weiß, wenn ich morgens aufstehe, dass mein Schlafplatz mir für den Abend sicher ist: warm und trocken und leidlich weich, ohne Wanzen und Flöhe. Ist das nicht mehr, als ein Betteljunge sich durfte träumen lassen?«
Schon einmal war Krabat weggelaufen: Bald nach dem Tod seiner Eltern, die letztes Jahr an den Pocken gestorben waren; da hatte ihn der Herr Pastor zu sich genommen, um, wie er sagte, ihn nicht verludern zu lassen – und nichts gegen den Herrn Pastor und seine Frau, die sich immer schon einen Jungen ins Haus gewünscht hatten.
Aber für jemand wie Krabat, der seine Jahre in einer lausigen kleinen Hütte verbracht hat, im Hirtenhäusel von Eutrich – für so jemand war es schwer, sich bei Pfarrers einzuleben: von morgens bis abends brav zu sein, nicht zu schimpfen und nicht zu raufen, in weißen Hemden umherzugehen, den Hals gewaschen, das Haar gekämmt, niemals barfuß, mit reinen Händen und sauber gekratzten Fingernägeln – und obendrein auch noch deutsch zu sprechen die ganze Zeit, hochdeutsch!
Krabat hatte versucht, was in seinen Kräften stand, eine Woche lang, eine zweite; dann war er den Pfarrersleuten davongelaufen und unter die Betteljungen gegangen. Nicht ausgeschlossen, dass er es auch auf der Mühle im Koselbruch nicht für ewig aushielt.
»Aber«, beschloss er, sich nach dem letzten Bissen die Lippen leckend, halb schon im Einschlafen, »wenn ich hier ausreiße, muss es Sommer sein … Eh’ die Wiesen nicht blühen, das Korn auf den Feldern nicht stäubt und die Fische im Mühlenweiher nicht schnalzen, bringt mich hier keiner weg … «
Es ist Sommer, die Wiesen blühen, das Korn stäubt, im Mühlenweiher schnalzen die Fische. Krabat hat Streit mit dem Meister gehabt: Er hat sich, statt Säcke zu schleppen, im Schatten der Mühle ins Gras gelegt und ist eingeschlafen; der Meister hat ihn dabei ertappt und ihm eins mit dem Knotenstock übergezogen.
»Dir werd ich’s austreiben, Bürschlein – am helllichten Tag zu faulenzen!«
Braucht Krabat sich das gefallen zu lassen?
Im Winter vielleicht, als der Eiswind über die Heide fauchte, da hätte er kuschen müssen. Der Meister hat wohl vergessen, dass Sommer ist!
Krabats Entschluss steht fest. Keinen Tag länger bleibt er in dieser Mühle! Er stiehlt sich ins Haus, holt vom Dachboden Rock und Mütze, dann schleicht er davon. Niemand sieht ihn. Der Meister hat sich in seine Stube zurückgezogen, die Fenster sind wegen der Hitze mit Tüchern verhängt; die Mühlknappen arbeiten auf dem Speicher und an den Mahlgängen; selbst Lyschko hat keine Zeit, sich
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