Krabat (German Edition)
ihr zum Spielen oder zum Saufen da?«
Krabat mischte sich unter die jungen Leute. Er tanzte mit allen Mädchen, wahllos und ausgelassen, wie es gerade kam, bald mit dieser und bald mit jener.
Auch mit der Kantorka tanzte er dann und wann. Er tanzte mit ihr wie mit allen, wenngleich es ihm schwerfiel, sie andern Burschen zu überlassen.
Die Kantorka hatte begriffen, dass sie sich nicht verraten durften. Sie redeten miteinander, was man beim Tanz so redet, Unsinn und Albernheiten. Nur ihre Augen meinten es ernst mit Krabat; aber das merkte nur er allein – und weil er es merkte, vermied er es, wenn es ging, ihrem Blick zu begegnen.
So kam es, dass selbst die Bauernweiber an ihren Tischen keinen Verdacht schöpften; auch die Alte, die auf dem linken Auge erblindet war (Krabat entdeckte sie jetzt erst), machte da keine Ausnahme.
Dennoch zog Krabat es vor, von jetzt an die Kantorka nicht mehr zum Tanz zu holen.
Es dauerte ohnehin nicht mehr lang, bis der Abend hereinbrach. Die Bauern und ihre Frauen gingen nach Hause, die Burschen und Mädchen begaben sich mit den Spielleuten in die Scheune: dort tanzten sie auf der Tenne weiter.
Krabat blieb draußen. Er hielt es für klüger, jetzt heimzugehen, zurück in den Koselbruch. Die Kantorka würde es schon verstehen, wenn er sie nun allein ließ.
Er lüpfte zum Abschied die Mütze: da spürte er etwas Warmes auf seinem Kopf, etwas Weiches.
»Lobosch!«, entsann er sich.
Krabat knüpfte die Zipfel des Brottuches kreuzweise übereinander. Dann stopfte er an den verlassenen Tischen Streuselkuchen hinein und Kolatschen, bis es prall und voll war.
Je näher der Winter kam, desto langsamer, so erschien es Krabat, verstrich die Zeit. Von Mitte November an hatte er manchen Tag das Gefühl, als ginge es überhaupt nicht weiter.
Zuweilen, wenn niemand sonst in der Nähe war, überzeugte er sich davon, dass der Ring von Haar, den die Kantorka ihm gegeben hatte, noch da war. Sobald er ihn in der Brusttasche seines Kittels berührte, erfüllte ihn eine große Zuversicht. »Alles wird gut gehen«, glaubte er dann zu wissen. »Alles wird gut gehen.«
In letzter Zeit kam es selten vor, dass der Meister sich über Nacht außer Haus begab. Ahnte er, dass Gefahr im Verzug war – dass hinter seinem Rücken sich etwas anspann, wovor er sich hüten musste?
Krabat und Juro nützten die wenigen Nächte, um unermüdlich in ihren Übungen fortzufahren. Krabat schaffte es immer öfter, sich Juro zu widersetzen.
Als sie sich wieder einmal am Küchentisch gegenübersaßen, geschah es, dass er den Ring von Haar aus der Tasche zog. Ohne sich etwas dabei zu denken, steckte er ihn an den kleinen Finger der linken Hand. Beim nächsten Befehl, den ihm Juro erteilte, tat Krabat sofort das Gegenteil; das gelang ihm so rasch und mühelos, dass es zum Staunen war.
»He!«, meinte Juro. »Das war ja, als ob deine Kraft sich auf einmal verdoppelt hätte – wie reimst du dir das zusammen?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Krabat. »Ob es ein Zufall war?«
»Lass uns nachdenken!« Juro blickte ihn prüfend an. »Es muss etwas geben, was dir zu dieser unerwarteten Stärke verholfen hat.«
»Aber was?«, überlegte Krabat. »Der Ring wird es kaum gewesen sein … «
»Welcher Ring?«, fragte Juro.
»Der Ring von Haar da. Das Mädchen hat ihn mir mitgegeben, am Kirmessonntag. Ich hab ihn mir vorhin angesteckt – doch was sollte der Ring wohl mit meinen Kräften zu tun haben?«
»Sag das nicht!«, widersprach ihm Juro. »Wir werden es ausprobieren, dann wissen wir’s.«
Sie erprobten den Ring und es zeigte sich bald, dass es keinen Zweifel gab: Wenn Krabat ihn an den Finger steckte, wurde er spielend mit Juro fertig – und wenn er ihn abzog, war alles wie sonst.
»Die Sache ist klar«, meinte Juro. »Mithilfe des Ringes wirst du dem Meister auf jeden Fall überlegen sein.«
»Aber wie geht das zu?«, fragte Krabat. »Glaubst du denn, dass das Mädchen zaubern kann?«
»Anders als wir«, sagte Juro. »Es gibt eine Art von Zauberei, die man mühsam erlernen muss: das ist die, wie sie im Koraktor steht, Zeichen für Zeichen und Formel um Formel. Und dann gibt es eine, die wächst einem aus der Tiefe des Herzens zu: aus der Sorge um jemanden, den man lieb hat. Ich weiß, dass das schwer zu begreifen ist – aber du solltest darauf vertrauen, Krabat.«
Am Morgen danach, als Hanzo die Burschen weckte und sie zum Brunnen gingen, sahen sie, dass es während der Nacht geschneit
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