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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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erklären, weshalb sie auf einmal hier war. Da saß sie, geduldig wartend, in ihrem gefältelten Sonntagsrock, ein buntes, mit Blumen bedrucktes Seidentuch um die Schultern, das Haar unter einem spitzenbesetzten Häubchen aus weißem Leinen.
    »Kantorka«, fragte er, »bist du schon lange da? Warum hast du mich nicht geweckt?«
    »Weil ich Zeit habe«, sagte sie. »Und ich dachte mir, dass es besser ist, wenn du von selber aufwachst.«
    Er stützte sich auf den rechten Ellbogen.
    »Lang ist es her«, begann er, »dass wir uns nicht gesehen haben.«
    »Ja, das ist lang her.« Die Kantorka zupfte an ihrem Tuch. »Nur im Traum bist du manchmal bei mir gewesen. Wir sind unter Bäumen dahingegangen, entsinnst du dich?«
    Krabat lachte ein wenig. »Ja, unter Bäumen«, sagte er. »Es war Sommer – und warm war es – und du hast einen hellen Kittel getragen  … Das weiß ich, als wäre es gestern gewesen.«
    »Und ich weiß es auch.« Die Kantorka nickte, sie wandte ihm das Gesicht zu. »Was ist es, weshalb du mich sprechen wolltest?«
    »Ach«, meinte Krabat, »ich hätte es fast vergessen. – Du könntest mir, wenn du wolltest, das Leben retten  … «
    »Das Leben?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Krabat.
    »Und wie?«
    »Das ist rasch erzählt.«
    Er berichtete ihr, in welche Gefahr er gekommen sei und wie sie ihm helfen könnte: vorausgesetzt, dass sie ihn unter den Raben herausfand.
    »Das sollte nicht schwer sein – mit deiner Hilfe«, meinte sie.
    »Schwer oder nicht«, hielt ihr Krabat entgegen. »Wenn du dir nur im Klaren bist, dass auch dein eigenes Leben verwirkt ist, falls du die Probe nicht bestehst.«
    Die Kantorka zögerte keinen Augenblick. »Dein Leben«, sagte sie, »ist mir das meine wert. Wann soll ich zum Müller gehen, dich freizubitten?«
    »Dies«, meinte Krabat, »vermag ich dir heute noch nicht zu sagen. Ich werde dir Botschaft senden, wenn es so weit ist, notfalls durch einen Freund.«
    Dann bat er sie, ihm das Haus zu beschreiben, in dem sie wohnte. Sie tat es und fragte ihn, ob er ein Messer zur Hand habe.
    »Da«, sagte Krabat. Er reichte ihr Tondas Messer. Die Klinge war schwarz, wie in letzter Zeit immer – doch jetzt, als die Kantorka es in Händen hielt, wurde das Messer blank.
    Sie löste das Häubchen, sie schnitt eine Locke aus ihrem Haar: daraus drehte sie einen schmalen Ring, den sie Krabat gab.
    »Er soll unser Zeichen sein«, sagte sie. »Wenn dein Freund ihn mir bringt, bin ich sicher, dass alles, was er mir sagt, von dir kommt.«
    »Ich danke dir.«
    Krabat steckte den Ring von Haar in die Brusttasche seines Kittels.
    »Du musst nun zurückgehen nach Schwarzkollm und ich werde nachkommen«, sagte er. »Und wir dürfen uns auf der Kirmes nicht kennen – vergiss das nicht!«
    »Heißt ›sich nicht kennen‹: nicht miteinander tanzen?«, fragte die Kantorka.
    »Eigentlich nicht«, meinte Krabat. »Es darf aber nicht zu oft sein, das wirst du verstehen.«
    »Ja, das verstehe ich.«
    Damit erhob sich die Kantorka, streifte die Falten an ihrem Rock glatt und ging nach Schwarzkollm zurück, wo inzwischen die Musikanten bereits mit der Kirmesmusik begonnen hatten.
     
    Vor der Scholtisei waren Tische und Bänke aufgestellt, im Geviert um den Tanzplatz, wo sich die jungen Leute schon fleißig drehten, als Krabat hinzukam. Die Alten saßen behäbig an ihren Plätzen und schauten den Burschen und Mädchen zu: pfeiferauchend die Männer hinter dem Bierkrug, fast schmächtig wirkend im braunen und blauen Sonntagszeug neben den Weibern, die sich in ihrer Festtracht wie bunte Glucken ausnahmen und sich bei Kirmeskuchen und Honigmilch über das junge Volk auf der Tanzfläche unterhielten: wer da zu welcher passte und welche zu welchem weniger oder gar nicht und ob man denn schon gehört habe, dieser und jene würden bald heiraten, wohingegen es zwischen der Jüngsten vom Grobschmied und Bartoschs Franto so gut wie aus sei.
    Die Musikanten auf ihrem Podest an der Hauswand – vier aufrecht stehende leere Fässer dienten als Unterbau für die Plattform, die aus den waagrecht übereinandergelegten Flügeln des Scheunentores bestand, das der Scholta zu diesem Zweck hatte herschaffen lassen –, die Musikanten spielten auf Fideln und Klarinetten zum Tanz auf, die Bassgeige nicht zu vergessen mit ihrem Schrumm-Schrumm. Und setzten sie einmal die Instrumente ab, um sich mit Bier zu laben, was ja ihr gutes Recht war – gleich rief es von allen Seiten: »He, ihr dort oben! Seid

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