Krabat (German Edition)
nicht kennen. Was ich nicht weiß, kann niemand aus mir herausbringen.«
»Wie aber«, fragte Krabat, »soll es dem Meister verborgen bleiben, wenn wir uns treffen?«
»Du weißt ja«, erwiderte Juro, »wie man den Kreis zieht.« Er griff in die Tasche, er drückte ihm das Stück Holz in die Hand. »Nimm es – und triff dich mit deinem Mädchen und sprich mit ihr!«
Am Samstag ging Krabat früh zu Bett. Er wollte allein sein, er wollte noch einmal in Ruhe abwägen, ob er sich mit der Kantorka treffen sollte. Konnte er wagen, sie jetzt schon in alles einzuweihen?
Bei den nächtlichen Übungen war es Krabat in letzter Zeit immer öfter gelungen, sich Juros Befehlen zu widersetzen. Manchmal war sogar Juro es, der als Erster ins Schwitzen kam. Das habe nicht viel zu sagen, meinte er zwar, und Krabat dürfe nur ja nicht den Fehler machen, den Meister zu unterschätzen – aber aufs Ganze gesehen stand es nicht schlecht für sie.
Krabats Zuversicht war von Mal zu Mal größer geworden. Pumphutt hatte den Müller ja auch besiegt: warum sollte es ihm verwehrt sein? Er zählte auf Juros Hilfe – und auf die Kantorka.
Aber das war es ja eben, worüber sich Krabat noch immer im Zweifel war: ob er die Kantorka denn hineinziehen durfte in die Geschichte. Wer gab ihm das Recht dazu? War sein Leben es wert, das ihre aufs Spiel zu setzen?
Krabat war unschlüssig. Einerseits musste er Juro beipflichten: die Gelegenheit, sich zu treffen, war günstig – wer weiß, wann sie wiederkehrte. Wenn nur das andere nicht gewesen wäre, die Ungewissheit, ob er der Kantorka morgen schon alles erzählen sollte – wo er doch mit sich selber noch nicht im Reinen war.
»Und wenn ich ihr«, ging es ihm durch den Kopf, »nur so viel erzähle, dass sie im Ganzen Bescheid weiß, worum es geht – doch den Tag und die Stunde der Prüfung verschweige ich … ?«
Krabat empfand ein Gefühl der Erleichterung.
»Das bedeutet für sie, dass sie ihre Entscheidung nicht Hals über Kopf zu treffen braucht – und für mich, dass ich Aufschub gewinne, den Fortgang der Dinge abzuwarten: notfalls bis ganz zuletzt.«
Die Mitgesellen beneideten Krabat, als er am Sonntag nach Tisch erklärte, der Müller habe ihm für den Rest des Tages Urlaub gegeben, weil in Schwarzkollm heut Kirmes sei.
»Kirmes!«, rief Lobosch. »Wenn ich das Wort bloß höre! Dann sehe ich Riesenbleche voll Streuselkuchen vor mir und Berge von süßen Kolatschen! Bringst du mir wenigstens was zum Kosten mit?«
»Aber ja«, wollte Krabat sagen; doch Lyschko kam ihm mit der Bemerkung zuvor, was Lobosch sich da wohl einbilde: Ob er denn glaube, dass Krabat nichts Besseres vorhabe in Schwarzkollm, als an Kuchen zu denken.
»Nein!«, widersprach ihm Lobosch. »Was Besseres gibt es auf keiner Kirmes!« Das sagte er so bestimmt, dass alle darüber lachen mussten.
Krabat ließ sich von Juro eines der Brottücher geben, worin sie die Vesper mitnahmen, wenn sie zur Waldarbeit gingen oder zum Torfplatz; das faltete er zusammen und schob es sich unter die Mütze, dann meinte er: »Abwarten, Lobosch, was für dich übrig bleibt … «
Krabat schlenderte aus dem Haus, er durchquerte den vorderen Koselbruch und schlug jenseits des Waldes den Feldweg ein, der um Schwarzkollm herumführte. An der Stelle, wo er am Ostermorgen der Kantorka gegenübergetreten war, zog er den Zauberkreis, darin ließ er sich nieder. Die Sonne schien, es war angenehm warm für die Jahreszeit. Kirmeswetter, mit einem Wort.
Krabat blickte zum Dorf hinüber. Die Obstbäume in den Gärten waren schon abgeerntet, ein Dutzend vergessener Äpfel leuchtete gelb und rot aus dem welken Laub hervor.
Halb laut sprach er die Formel, dann wandte er alle Gedanken dem Mädchen zu.
»Es sitzt jemand hier im Grase«, ließ er die Kantorka wissen, »der mit dir sprechen muss. Mach dich auf eine Weile frei für ihn, er verspricht dir auch, dass es nicht lange dauern soll. Niemand darf merken, wohin du gehst und mit wem du dich triffst: darum bittet er dich – und er hofft, dass du kommen kannst.«
Eine Weile, das wusste er, würde er warten müssen. Er legte sich auf den Rücken, die Arme im Nacken verschränkt, um nochmals zu überdenken, was er der Kantorka sagen wollte. Der Himmel war hoch und von klarem Blau, wie er’s nur im Herbst ist – und während er so hinaufblickte, wurden Krabat die Lider schwer.
Als er aufwachte, saß die Kantorka neben ihm auf dem Rasen. Er konnte sich nicht
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