Kräfte der Comyn - 12
rechten Hand hinreichend gut zu essen, aber er hatte nie
gedacht, wie hilflos jemand mit nur einem Arm sein konnte; er
konnte beim Gehen nicht einmal richtig balancieren. Morgens
und abends brachten sie ihm etwas zu essen: eine Art
grobkörniges Brot mit Nüssen, Brei aus einem unbekannten
Getreide, Streifen wohlschmeckenden Fleisches und einen
undefinierbaren seifenähnlichen Stoff, den er für Käse hielt. Als er Schritte auf dem Flur hörte, richtete er sich auf. Es
hätte jemand mit dem Frühstück sein können, aber er erkannte
den schweren, unregelmäßigen Gang von Cyrillon des Trailles.
Cyrillon hatte ihn zuvor nur einmal besucht, um sich kurz über
den Inhalt seiner Taschen zu informieren.
„Keine Waffen”, hatte der Mann Kyro ihn informiert und
die Habseligkeiten hochgehalten, die Larry bei sich gehabt
hatte. Cyrillon betrachtete sie. Als er den terranischen ErsteHilfe-Kasten sah, runzelte er wütend die Stirn und warf ihn in
eine Ecke; Larrys mechanischen Schreiber erprobte er mit der
Fingerspitze und steckte ihn dann in die eigene Tasche. Die
anderen Gegenstände sah er nur kurz an und warf sie dann
neben dem Jungen zu Boden: etwas Kleingeld, ein
zerknittertes Taschentuch, ein kleines Notizbuch. Larrys
zusammengeklapptes Taschenmesser betrachtete er
argwöhnisch und fragte: „Was ist das?”
Larry öffnete es, dann trat er sich im Geiste selbst in den
Hintern. Er hätte das Messer vielleicht irgendwie gebrauchen
können, auch wenn die Klinge abgebrochen war - er benutzte
es fast nur dazu, Schnüre zu schneiden oder zu schnitzen. Es
hatte einen Korkenzieher, eine kleinere magnetisierte Klinge
und auch einen Haken, um Lebensmitteldosen zu öffnen. Kyro sagte: „Ein Messer? Das wirst du ihm doch nicht
lassen wollen!”
Cyrillon zuckte verächtlich die Schultern. „Mit einer
Klinge, die kaum größer als mein kleiner Finger ist? Das wird
ihm eine Menge nützen!” Er warf es zu den anderen Dingen.
„Ich wollte nur wissen, ob er eine der Comyn-Waffen bei sich
hat.” Er lachte laut und verließ die Zelle, und Larry hatte ihn
nicht wiedergesehen, bis er heute morgen seine schweren
Schritte hörte.
Er verspürte den kindischen Impuls, unter das Bett zu kriechen und sich zu verbergen, aber er bezwang ihn und stand zitternd auf. Drei Männer traten ein, nach einem Augenblick
von dem immer noch maskierten Cyrillon gefolgt.
Larry war mittlerweile aufgefallen, daß ihn Cyrillon trotz
aller Verachtung mit einem Respekt behandelte, der schon fast
an Ehrfurcht grenzte. Den Grund dafür konnte Larry sich kaum
vorstellen. Cyrillon blieb vor dem Bett stehen und befahl:
„Steh auf, und komm mit uns, Alton.”
Larry stand unsicher auf und gehorchte. Er hatte Verstand
genug einzusehen, daß jede Form von Weigerung oder Trotz
keinem nützen würde - abgesehen vielleicht von seinem Stolz -
und lediglich zu weiteren Repressionen führen konnte. Er
sollte seine Kraft besser sparen, bis er etwas wirklich
Nützliches tun konnte.
Sie führten ihn in einen Raum, wo ein Kaminfeuer brannte,
und Larrys Zittern wurde so heftig, daß Cyrillon ihn mit einer
Geste der Verachtung zum Kamin winkte. „Diese Comynbälger
sind alle verweichlicht… dann wärme dich!”
Nachdem er sich aufgewärmt hatte, bedeutete Cyrillon ihm,
auf einer Bank Platz zu nehmen. Aus einem Lederbeutel zog er
etwas in Tuch Eingehülltes. Er sah Larry an und schürzte die
Lippen.
„Ich wage kaum zu hoffen, daß du es mir leichtmachen
wirst, Alton - oder dir.”
Aus dem Tuch nahm er ein Juwel, das blau leuchtete, ein
Juwel, erkannte Larry, von der seltsamen Art, wie Kennard es
ihm gezeigt hatte. Dieses befand sich in einer Fassung aus
Gold, mit zwei Ösen an jeder Seite.
„Ich verlange, daß du für mich hier hineinsiehst”, sagte
Cyrillon, „und wenn es dir hinterher leichter fällt, deinen
Stolz zu wahren, kannst du deinem Volk sagen, du hast es
unter der Androhung getan, daß man dir die Kehle
durchschneiden würde.”
Er lachte sein schreckliches rauhes Lachen, das so sehr dem
Schrei eines Raubvogels glich.
Wollte Cyrillon von ihm, daß er Psi-Kräfte demonstrierte?
Larry empfand Angst. Nun mußte seine Tarnung als
Darkovaner auffliegen. Er spürte seine Hand zittern, als
Cyrillon den Stein hineinlegte. Er hob den Blick.
Blendender Schmerz raste durch seinen Kopf und seine
Augen. Er schloß sie unwillkürlich vor der übermächtigen
Präsenz von etwas Unnatürlichem…, etwas, das im normalen Dasein überhaupt nicht existieren durfte. Ihm wurde übel.
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