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Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Titel: Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad , Jannis Plastargias , C. Dewi , Gerry Stratmann
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Rücken geheftet hatten. Er hatte zum Vater des
Bräutigams geschaut, dessen Augen unter der verärgerten Stirnfalte hervor die Quelle der Störung zu lokalisieren versuchten.
    Noah hätte es ertragen. Er hätte die Blicke der Festgemeinschaft ertragen. Er hätte es ertragen, dass sich das missmutige Runzeln des Bräutigamvaters in ein fast
wohlwollendes Nicken verwandelte, als er erkannte, dass der Lärm von dem Behinderten ausging. Was er nicht ertragen hatte, war die Röte, die Sebastian ins Gesicht gestiegen war und
verraten hatte, dass er sich das erste Mal in ihrem Leben für Noah schämte.
    8
    Sebastian stellte das Glas mit Wasser auf dem Couchtisch ab, zupfte die Decke zurecht, die von Noahs Schulter gerutscht war, nachdem er ihn flach gebettet hatte, und korrigierte die Position von
Noahs Unterschenkel auf dem Kissen. Noah beobachtete ihn, wie er seinen Fuß in die Hand nahm, den Bettschuh über die Ferse zog und die Rücken seiner Finger gegen seine Sohle
drückte.
    »Die sind immer noch eisig«, stellte Sebastian fest und hatte wieder diesen Ausdruck besorgter Erschöpfung in seinem Blick. »Jeanette meint, wir sollten es mit einem
Fußbad versuchen, wenn das Lammfell nichts bringt.«
    Sebastian hielt seinen Fuß in der Hand, als wäre nichts gewesen, aber Noah konnte die Röte auf Sebastians Wangen nicht vergessen. »Warum stört es dich so, wenn meine
Füße kalt sind?«
    »Deine Durchblutung wird immer schlechter.« Er zog den Fuß wieder an und brachte Noah zum Husten in Rückenlage.
    »Das ist der Lauf der Sache«, meinte Noah resigniert.
    »Du solltest das nicht so leicht hinnehmen. Es wird nicht gerade einfacher dadurch.«
    »Es?« Noah sah zu ihm auf. »Du meinst, du hast mehr Arbeit mit mir.«
    »Nein, Noah, ich will nicht, dass es dir schlechter geht, weil jede Schramme drei Wochen zum Abheilen braucht.«
    Natürlich, Sebastian wollte immer nur das Beste für ihn. Aber das Beste war nicht das, was Noah brauchte. Er sah es klar vor sich, und er war sich sicher, dass Sebastian es ebenfalls
sehen konnte, aber es war das Beste für Noah, es nicht auszusprechen. Noah war es leid.
    »Das ist nur die halbe Wahrheit, oder?«
    Sebastian erwiderte seinen Blick. »Was willst du von mir?«
    Ich will wissen, was du noch hier machst.
Noah sprach es nicht aus und Sebastian fragte nicht noch einmal.
    Sebastian zögerte einen langen Augenblick. »Vielleicht sollten wir überlegen, ob wir noch einmal eine stationäre Physiotherapie beantragen.«
    »Du kriegst dieses Jahr keinen Urlaub mehr.«
    »Ich dachte eigentlich eher, dass du allein …« Sebastian sprach nicht weiter. Er sah Noah nicht an, presste die Lippen aufeinander. »Ich hol die Wanne. Trink bitte
dein Wasser.«Eine weitere Anweisung zu Noahs Wohl.
    Er trank sein Wasser. Mit erhöhtem Oberkörper auf dem Bauch liegend beobachtete er, wie Sebastian geschäftig durch das Haus lief, die Plastikwanne vor ihn hinstellte, wieder ging,
um eine Glaskanne voll Tee zu holen.
    Sebastian setzte ihn auf, mit einem Turm aus voluminösen Kissen auf den Knien, auf denen Noahs Oberkörper vornübergebeugt ruhen konnte. Er nickte zur Kanne. »Sei vorsichtig,
der ist heiß. Lass ihn noch ziehen, ich hab ihn grad erst aufgebrüht. Ich hole noch Wasser für das Bad.«
    Sebastian lief wieder vor ihm weg, und Noah blieb nichts übrig, als die grünen Blätter zu betrachten, die in der Glaskaraffe schwammen. Frisch aus Jeanettes Gewächshaus,
heute Morgen im ersten Licht des Tages geerntet. Es war nicht länger Pfefferminzduft, der aus der Kanne strömte. Es war der Gestank von Gutwillen, und er ließ Noah würgen. Er
wusste, es würde Sebastian mehr wehtun als ihm. Sein Wohl war Sebastians Projekt, nicht seines. Er wusste, Sebastian konnte nicht gehen. Nicht solange Noah hilflos genug war. Wut und Angst
hielten sich noch immer die Waage.
    Sein Blick wanderte zur Tür, in der Sebastian verschwunden war, er spürte deutlich den Druck in seinem Bauch. Einer von ihnen musste den Entschluss treffen, aber er wusste, dass in
diesem Fall Sebastian nicht für Noah entscheiden konnte, weil es unmöglich war, dass der Beschluss zu seinem Besten ausging, und dennoch – der Moment, auf den Sebastians Mutter
seit dreizehn Jahren wartete, war da. Noah ertrug es selbst nicht, länger zu warten. Sebastian
würde
entscheiden. Noch heute.
    An seinem Hosenbein zog er seinen Fuß zu sich heran, hakte seinen Daumen unter den Bund seines Bettschuhs und zog einen nach dem andern

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