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Kräuterkunde

Kräuterkunde

Titel: Kräuterkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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bestimmen. Ihre warnende Signatur ist noch nicht voll ausgeprägt, und sie sind daher leicht zu verwechseln. Es ist also wichtig, nicht nur vorsichtig zu sein, sondern die wenigen Giftpflanzen außerdem durch und durch, in allen Lebensstadien zu kennen. Gegebenenfalls muß man im Botanischen Garten einen Experten fragen. Und falls man sich wirklich mit ihnen anfreunden will, muß man äußerst behutsam vorgehen, lange bei ihnen meditieren und bei Selbstversuchen mit homöopathischen Geringstdosierungen anfangen. Dazu muß noch gesagt werden, daß es in der Natur die Kategorien Giftig/Ungiftig ebensowenig gibt wie die Kategorien Gut/Böse. Diese Begriffe entspringen unseren kulturellen Vorstellungen – sagte doch schon Paracelsus: »Alle Dinge sind Gift. Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist.«
    5. Wie wir schon sagten, ist der Deva nicht auf seine äußere, physische Pflanzengestalt beschränkt. Er befindet sich weniger in der Pflanze selbst, sondern umschwebt, umwirkt sie. Er ist ein freies, ungebundenes Geistwesen, das sich überall hin bewegen und in praktisch jeden Gegenstand und jedes andere Lebewesen hineinschlüpfen kann. Wenn man sich also mit einer Pflanze beschäftigt, die man kennenlernen möchte, muß man auf die
Erscheinungszusammenhänge
achten. Wer ging da gerade vorbei? Welcher Vogel sang da? Welche Gedanken kamen mir spontan in den Sinn? Man übt sich in Aufmerksamkeit und in Achtsamkeit oder, wie es die Buddhisten nennen, in
Satipatthana
.
    Ein Beispiel: An einem Wanderpfad im Jura fand ich eine Tollkirsche. Da ich genügend Zeit und Muße hatte und sie besser kennenlernen wollte, setzte ich mich zu ihr hin, grüßte sie und betrachtete meditativ jeden Teil, fühlte ihre zarte Haut und sog schnuppernd ihre »roh-giftige« Ausdünstung in die Nase. Dazu kostete ich ein winziges Blattstückchen und meditierte über dessen angenehm bitteren Geschmack. Als ich nach einer Weile wieder zum funktionellen Alltagsbewußtsein zurückkehrte, bedankte ich mich bei der Pflanze, wie es sich gehört, und schenkte ihr, wie ich es bei den Indianern gelernt hatte, etwas Tabak. Plötzlich bemerkte ich in einiger Entfernung ein dunkles Tier. Es war ein Marder, der mich intensiv anschaute. Seine kohlschwarzen, glänzenden Augen waren den Beeren der Tollkirsche zum Verwechseln ähnlich. Als das Tier meine Überraschung gewahrte, spannte es, als wolle es wegspringen. Aber als es spürte, daß ich weiterhin in einem meditativen Zustand verharrte, beruhigte es sich, lief langsam einige Meter den Pfand entlang, drehte sich um und blickte mir noch einmal direkt in die Augen, bevor es im Gebüsch verschwand. Das Tier war Träger des Pflanzengeists gewesen.
    Der Belladonna-Deva demonstrierte seine Macht am nächsten Tag, als ich mit einer Gruppe von zwölf Freunden den Hügel erklomm, um ihnen die schöne Pflanze zu zeigen. Es war ein herrlicher sonniger Tag, ein blauer Himmel strahlte, als wir loszogen. Hinter einem der Berge stieg eine weiße Kumuluswolke auf. Sehr schnell quoll sie zu bedrohlicher Größe auf, verdeckte die Sonne und wurde zunehmend dunkler. Als wir ungefähr dreißig Meter von der Pflanze entfernt waren, wurde es finster, ein brausender Sturm hob an. Von Blitz und Donner begleitet brach die Wolke, und es goß in Strömen. Zwanzig Meter von der Tollkirsche entfernt fing es so stark zu hageln an, daß wir, pitschnaß und vor Kälte schlotternd, umkehren mußten. Auf dem Weg ins Tal legte sich der Sturm ebenso schnell, wie er gekommen war. Als wir unten im Dorf ankamen, lachte die Sonne wieder aus einem klaren, blauen Himmel.
    Osho (Acharya Rajneesh) sagte einmal: »Rede mit einer Pflanze, und mache dich auf ein Wunder gefaßt!« (
Osho 1995
) Das kann jeder gute Gärtner bestätigen. Doch leider hat meine Geschichte ein trauriges Ende. Als ich die Belladonna das nächste Mal besuchen wollte, lag sie von einem Stock zerschlagen und von ungnädigen Füßen zertrampelt am Boden. Vielleicht hatte sie durch die freundliche Aufmerksamkeit, die ich ihr geschenkt hatte, so viel Vertrauen gegenüber den Menschen gewonnen, daß sie es nicht mehr für nötig hielt, sich unsichtbar zu machen. Ein »guter« Mensch, der das Böse haßt, auch die bösen Giftpflanzen, hatte sie wie eine giftige Natter niedergestreckt. Schon im Mittelalter hatte Hildegard von Bingen gewarnt, der Teufel sei keiner Pflanze näher als der Tollkirsche. Leider gibt es noch immer Tugendbolde, die nicht wahrhaben wollen, daß alle

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