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Kräuterkunde

Kräuterkunde

Titel: Kräuterkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Geistern der Pflanzen reden, genau wie sie die parasitischen Entitäten sehen können, die auf dem Nährboden böser Taten und Gedanken entstehen und die Menschen krank machen. Wenn ein wandernder Sadhu in ein Dorf kommt, eilen Junge und Alte herbei, lauschen seinen Geschichten und hoffen auf seinen Segen. Oft gibt er den Kranken die Kräuter, die diese zu ihrer Heilung bedürfen und die damit verbundenen Ratschläge. Weil diese heiligen Männer (es gibt auch Sadhvis, heilige Frauen) keinen Kastenvorschriften unterworfen sind, können sie mit allen ohne Tabu verkehren, auch mit den unberührbaren kräuterkundigen Waldbewohnern (Adavasi) und Hirten. Auf diese Weise vervollständigen sie ihr Heilwissen ständig.
    Das alltägliche Ego des Schamanen oder Sadhus stirbt, aber es stirbt auch nicht. Der Mensch braucht es, um im alltäglichen, irdischen Dasein seine Integrität zu bewahren. Es wurde, wie die Inder sagen, in der Schöpfung von Anfang an mitveranlagt. Alle diesseitigen Wesen haben ihr
Ahamkara
, ihren »Ich-Macher«. Nur wird er nach der Einweihung an seinen rechten Platz verwiesen. Er ist nun der Diener des unsterblichen »höheren Selbst«. Er ist nun der Bhakti, der sich liebevoll dem offenbarten Göttlichen weiht; er ist der treue Heinrich, der fromme Knecht, der Ramdas (Sklave Gottes). So oder ähnlich haben sich viele Schamanen bezeichnet. »Ich kann nicht heilen, es sind die Devas, die Götter«, sagen sie. Kräuterheiler werden immer als sehr einfache, schlichte, unverdorbene Menschen beschrieben.
    Flora Jones, die eigentlich Piu-lu-li-Met (die »Östliche Blumenfrau«) heißt, ist die letzte Wintu-Pflanzenschamanin. Auch sie sieht sich vor allem als Werkzeug der Geistwesen. Die Wintu, ein Stamm im nördlichen Kaliforniern, sind im Schmelztiegel Kaliforniens fast aufgegangen. Flora war ein zwischen den Kulturen hin- und hergerissenes Mischlingskind, das von einer Karriere als Hollywood Star träumte. Die Widersprüche ihrer Erziehung machten sie krank und plagten sie mit Selbstzweifeln, bis eines Tages die alten Stammesgeister sie berührten: Als Siebzehnjährige fiel sie beim Kartenspiel in Trance. »Es war wie ein heißes Geschoß, das durch mein Ohr jagte. Der Schmerz ging durch und durch, und ich war vier Tage lang bewußtlos.« (
Schenk/Kalweit 1987:251
) Die letzten noch lebenden Schamanen der Wintu erkannten, daß die Geister sie als Medizinfrau erwählt hatten. Sie betreuten und besangen sie in dieser schwierigen Phase. Ihr Geist lernte, den Pfad zu wandeln, den die Toten in die andere Welt nehmen, und dabei mit den Kräutern und Blumen am Wegrand zu sprechen. Erst viele Jahre später nahm sie ihre Tätigkeit als Medizinfrau auf.
    Ethnologen berichten immer wieder von sogenannten Schamanistischen »Einweihungskrankheiten«, die sich oft tage-, wenn nicht wochen- oder monatelang hinziehen. Der von den Geistern oder Ahnen Berufene leidet alle möglichen Schmerzen und erlebt Ohnmachtsanfälle und dergleichen. Dieses Stadium ist nicht ungefährlich. Gelegentlich findet der Berufene den Weg nicht mehr zurück und stirbt tatsächlich. In traditionellen Kulturen wird der von den Göttern heimgesuchte – wie wir es in Floras Fall gesehen haben – von älteren Schamanen betreut, besungen und beräuchert. Sie prüfen auch, ob es eine echte Berufung ist oder nur eine geistige Verwirrung.
Moderne Kräuterkundige
    Nun mag man meinen, in unserer Gesellschaft gebe es so etwas nicht. Oder wenn jemand von den Geistern, den Ahnen, Gott oder der Gottesmutter berufen wird, müsse er sich hüten, nicht zum psychiatrischen Fall zu werden. Aber auch bei uns gibt es, öfter als man meint, echte Berufungen, verbunden mit Einweihungskrankheiten und der weisheitsvollen Führung transpersoneller Mächte. Die meisten bleiben unbekannt und unbesungen. Schauen wir nun die Lebensgeschichten einiger bekannter Pflanzenheiler aus unserem Kulturkreis an.
Sebastian Kneipp (1821-1897)
    Sebastian Kneipp war ein wahrer Erneuerer der Pflanzenheilkunde. Viele längst vergessene Heilpflanzen, wie den Schachtelhalm, den Weißdorn, die Heublumen und das Johanniskraut, hat er erneut ins Bewußtsein der Menschen gebracht. Kneipp ist zwar vor allem für seine Wasserkuren bekannt, aber er schreibt selbst: »Ich habe viele Jahre hindurch zum größten Teil mit Kräutern und weniger mit Wasser kuriert und dabei die schönsten Erfolge erzielt.« (
Kaiser 1996:259
)
    Kneipp war der Sohn armer Weber im Allgäu. Schon als Elfjähriger arbeitete er

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