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Kräuterkunde

Kräuterkunde

Titel: Kräuterkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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allein in den USA. Reine Kräuterpräparate gehen langsamer ins Blut, denn sie sind
biologisch gepuffert
. Sie verbinden sich mit der körpereigenen Abwehr. Oft sind die natürlichen Molekülkomplexe den körpereigenen Hormonen und Enzymen dermaßen ähnlich, daß sie einige Funktionen übernehmen oder an deren Stelle treten können (etwa die Opium-Alkaloide an die Stelle der körpereigenen Endorphine). Synökologisch und entwicklungsgeschichtlich sind die Kräuter, aufgrund einer langen Ko-Evolution, unserem Organismus viel besser angepaßt als ihre Auszüge oder synthetischen Nachahmungen. Zwei Beispiele:

    1. Das Meerträubelgewächs (
Ephedra spp
.) ist als
Ma Huang
nachweislich schon seit 5.000 Jahren in der chinesischen Heilkunde bekannt. Es wird als Tee im Anfangsstadium von Viruserkältungen, bei Asthma und als schweißtreibender Dekokt bei Rheuma angewendet. Mexikanische Indianer rauchen Ephedra mit Tabak bei Migräne. In den USA ist es als
Mormon tea
bekannt.
    Viele Mormonen, deren Religion sonst jede »Droge« (Alkohol, Kaffee, Tabak, Schwarztee) verbietet, trinken täglich ein oder mehrere Täßchen des anregenden Aufgusses (er enthält natürliche Amphetamine), ohne sich über irgendwelche Nebenwirkungen zu beklagen. In der Naturheilkunde wird der Tee wegen seiner bronchialentspannenden Wirkung bei Asthma und Lungenemphysem verordnet. Da er entzündete Schleimhäute zum Abschwellen bringt, findet er Verwendung bei Allergien und Heuschnupfen.
    1887 wurde das Reinalkaloid
Ephedrin
isoliert und als wirksames Asthmamittel bejubelt. Bald jedoch wurde als Nebenwirkung eine drastische Erhöhung des Blutdrucks bei den Patienten festgestellt. Nicht nur Ephedrin verlor daraufhin an Beliebtheit, auch das Meerträubel an sich wurde als Heilpflanze in Frage gestellt und galt plötzlich als gefährlich. Dabei enthält die Pflanze noch sechs andere Alkaloide und weitere Begleitstoffe, darunter Pseudoephedrin, das die Herztätigkeit sogar verlangsamt und den Blutdruck senkt.
    2. Das Schlangenholz (Rauwolfia serpentina) findet im indischen Ayurveda und in der Volksmedizin seit mindestens 4.000 Jahren Anwendung bei Schlangenbissen, Nesselsucht, Insektenstichen, Fieber, Durchfall, hohem Blutdruck, Epilepsie, Schlaflosigkeit und vor allem bei Geisteskrankheit, die sich in Angst und Aggressionszuständen äußert. Mahatma Ghandi trank jeden Abend sein Täßchen Rauwolfia-Tee, da es den Geist beruhigt und die Ojas (Lebensenergie) verbessert.
    1952 isolierte der Chemiker Emil Schietter den Hauptwirkstoff, das Alkaloid Reserpin. Ein neues Wundermittel zur Blutdrucksenkung kam auf den Markt. Aber bald häuften sich die alarmierenden Berichte der Ärzte. Die Behandlung mit Reserpin führte bei vielen Patienten zu manisch-depressiven Zuständen, die vereinzelt bis hin zum Selbstmord führten. Bei der ganz belassenen Pflanzendroge, in der nicht nur Reserpin, sondern 160 verschiedene Alkaloide festgestellt wurden, kommt es nicht zu solchen Nebenwirkungen. Indische Mütter geben sogar den Kleinkindern vom Chotachand- (»Kleiner Mond«-) Tee zu trinken, ohne daß sich Probleme ergeben.
    In den siebziger Jahren jedoch wurde nicht nur das Reinalkaloid Reserpin unter Rezeptpflicht gestellt, sondern auch die pflanzliche Droge. Heute ist die wertvolle Heilpflanze, deren Export vielen armen indischen Bauern einst ein Einkommen bescherte, nicht mehr erhältlich, da für aber verschiedene dubiose Synthetika aus dem Labor.
    Es ist das vereinfachende, reduktionistische Denken, welches die Wirkung einer Heilpflanze auf einen wesentlichen Wirkstoff zurückführen will. Bei diesen Wirkstoffen, meist Alkaloide, handelt es sich vor allem um quasi tote, aus dem Lebensstrom herausgefallene und in Sonderzellen abgelagerte, eher toxisch wirkende Molekülkomplexe. Diese Stoffe sind relativ leicht zu extrahieren und zu raffinieren, sie lassen sich über lange Zeiträume lagern und leicht synthetisch nachbauen. Die Reinsubstanzen sind einfach – oral oder hypodermisch – zu verabreichen und sind deswegen marktgerechter als die eigentlichen Kräuter.
Eine differenzierte Kräuterbetrachtung
    Das
Pen Ts’ au
des
Shen Nung
, das älteste Kräuterbuch der Chinesen (ca. 2800 v. Chr.), unterscheidet drei Arten von Heilpflanzen:
    »Himmlische« Arzneimittel , wie Ginseng, Jujube und Süßholz, sind nicht giftig und wirken stärkend auf den menschlichen Organismus. »Sie dürfen so lange eingenommen werden, wie man es für gut findet, sie können nicht

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