Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
nebeneinander zu stellen. Seine gelbbraune Tunika, die mit roten Stickereien von Hirschen und Hengsten bedeckt war, war vollgesudelt und hing ihm schief an den breiten Schultern. Die Kreuzschnürbänder, die ihm die Beinkleider eng an den Unterschenkeln hätten festhalten sollen, waren nur noch ein loses Gewirr an seinen Knöcheln.
„Seid gegrüßt, Mylord.“ Edwin verbeugte sich knapp und drehte sich dann zur Seite, um sich einen Becher Ale einzuschenken.
„Welche Neuigkeiten bringt Ihr mir von meiner Braut?“, forderte Bon sofort und setzte sich ein wenig aufrechter in den Sessel. „Es ist schon zwei Wochen her, dass ich Euch auf Langumont zurückließ.“
„Mylord“, Edwin verstummte und schluckte. Die Neuigkeiten, die er brachte, würde nicht willkommen sein. Er schaute sich um, so dass er sehen konnte, was in Reichweite wäre und seinem Freund als Wurfgeschoss dienen könnte.
Aber bevor er weitersprechen konnte, rief Bon, „meine Laute, Agnes, bring mir meine Laute!“
Eine junge Frau mit recht ansehnlichen Rundungen und einer langen, fast violetten Narbe in ihrem Gesicht eilte sich seinem Wunsch nachzukommen. Sie schaffte das Instrument herbei und kniete zu seinen Füßen nieder, wobei sie ihren Kopf wie ein kleines Kätzchen an seinem Knie rieb.
„Ah, Dame meines Herzens...“, seufzte Bon, seine vernebelten Augen starrten in die Ferne. „Wie ich mich nach ihr verzehre! Edwin, meiner Treu, ich kann fürwahr nicht mehr lange warten, um endlich von ihren köstlichen Schenkeln zu kosten.“ Er schrummte eine kleine Weise auf der Laute, wobei sein Gesicht ein kummervolles Aussehen annahm. „Zuerst, zuerst waren es ihre Ländereien – meine Ländereien –, die ich wieder in meinen Beitz zu bringen trachtete. Aber jetzt“, ein weiteres Schrummen erklang zu seinen sehnsuchtsvollen Worten, „jetzt ist es mehr als bloßer Reichtum.“
Ein kurzes Schweigen machte sich breit, als Bon einen weiteren langen Zug schlürfend aus dem Weinpokal seine Kehle runterlaufen ließ, wobei er aber peinlich darauf achtete, nichts auf die wundervoll geschnitzte Laute zu verschütten. Mit einem rülpsenden Seufzen stellte er den Pokal beiseite. „Meine Begierde nach materiellen Gütern ist nunmehr ausgewachsen zu einer wahren Liebessehnsucht, Edwin“, erzählte ihm Bon überaus ernsthaft, Lippen und Zunge schwer vom Alkohol und der Blick trübe. „Ich kann ohne sie nicht leben...“
Edwin verdrehte die Augen und nahm noch einen Schluck Ale. Er konnte ebenso gut einfach weitertrinken und sich entspannen, denn die schlechten Neuigkeiten hielten sich auch noch bis morgen frisch.
Obwohl, wenn man darüber nachdachte, konnte es schmerzhaft werden, einem Mann von der Statur Bon de Savrilles am morgigen Tag zu erzählen, dass Lady Maris einem von Merle Lareux auserwählten Mann versprochen werden sollte; nämlich gerade dann, wenn Bon sich von den Exzessen des heutigen Abends erholte.
Edwin blickte hoch. Bei den Gebeinen Jesu, sein Herr war ein Weichling, wenn er zu voll des guten Weines war. Er würde dem Schlossvogt auftragen müssen, nichts mehr von diesem roten Wein aus Bordeaux zu importieren – es machte das Zusammenleben mit Bon unmöglich. Er war froh, dass das in England gebraute Ale seinem Dienstherren nicht in gleicher Weise zusetzten.
„Hört Ihr, was ich sagte, Edwin?“ Bons Worte waren kaum zu verstehen und seine Hand schlug schlaff auf die Tischplatte auf. „Hört her, ich habe ein Lied für meine Liebste verfasst. Ich werde es ihr in unserer Hochzeitsnacht darbieten.“
So betrunken er auch war, Bons Finger glitten doch recht flink über die Saiten der Laute und die dabei erklingende Melodie war überraschend gefühlvoll. Er sang mit einer vorsichtigen Stimme – ein bisschen falsch – und erfand den Text zur Melodie offensichtlich aus dem Stehgreif:
Oh, anmutigste aller Frauen, ich preise Eure Schönheit ... die Wolken sollten wegen Euch weinen, denn solch Anmut sehen sie im Himmel nicht ... Euer Antlitz, Eure Stimme machen, dass mein Herz mit Freude schwillt, und an unserem Hochzeitstage sollt Ihr meine ewigwährende Liebe empfangen...
„Bei ihr würde mir mehr als das Herz anschwellen“, murmelte Edwin in seinen Becher mit Ale. Glücklicherweise hörte Bon ihn nicht, denn er war schon mit der zweiten Strophe seines jammervollen Liedes befasst.
Noch während Bon mit der Hymne an seine Zukünftige fortfuhr, krochen die Soldaten einer nach dem
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