Kraft des Bösen
Ich würd e überleben , obwoh l ic h mic h nich t meh r de m e i sernen Wille n z u überlebe n unterwarf . Ic h würd e überlebe n un d a u s führen , wa s da s Schicksa l fü r mic h bereithielt . Ic h würd e l e i de n un d lebe n un d alle s erdulden , dami t ic h dies e Obszönität eine s Tage s auslösche n konnte.
Di e nächste n dre i Monat e verbracht e i c h i n Lage r I i n So b i bor. Lager II war ein Übergangslager, und von Lager III kehrte nieman d zurück . Ic h aß , wen n si e mi r etwa s gaben , schlief, wen n si e mic h ließen , entleert e mich , wen n si e e s mi r befahlen, un d erledigt e mein e Pflichte n i m Bahnhofskommando . Ic h trug eine blaue Mütze und einen blauen Overall mit dem gelben Emble m B K darauf . Mehrmal s täglic h empfinge n wi r di e e i n treffende n Transporte . Bi s au f de n heutige n Ta g seh e ic h in Nächten , wen n ic h nich t schlafe n kann , di e Herkunftsort e mit Kreid e au f d ies e verriegelte n Güterwaggon s gekritzelt : Tu r o bin, Gorzkow, Wlodawa, Siedlce, Izbica, Markugzow, Ka m o row , Zamosc . Wi r nahme n de n benommene n Jude n di e Koffer a b un d gabe n ihne n Gepäckscheine . Wege n de s Widerstands de r polnische n Jude n de r de n reibungslo s en Ablauf störte führt e ma n wiede r ein , de n Überlebende n de r Transport e zu sagen , da ß Sobibo r ei n Übergangslage r sei , ei n Aufenthaltsort vo r de r Weiterreis e z u de n Zentre n de r Neuansiedlung . Eine Zeitlan g stande n soga r Schilde r i m Bahnhof , di e di e Entfe r nun g z u diese n mythische n Zentre n i n Kilometer n nannten . Die polnische n Jude n glaubte n da s selten , schlurfte n letztendlich abe r mi t de n andere n unte r di e Duschen . Un d di e Züg e kamen unaufhörlich : Baranow , Ryki , Dubienka , Biala - Polaska , Uc h a nie , Demblin , R e jowiec . Postkarte n wurde n vorgeschriebe n WIR SIND IN DEN NEUANSIEDLUNGSZENTREN ANGEKOMMEN. DIE ARBEIT HIER IST HART, ABER DE R SONNENSCHEI N IS T ANGENEHM , UN D E S GIBT VIEL UND GUT ZU ESSEN. WIR FREUEN UNS DARAUF, DAS S IH R AUC H BAL D KOMMT . Di e mußte n di e J u de n mit Anschrifte n versehe n un d unterschreiben , bevo r si e i n di e Ga s kammern geführt wurden. Gegen Ende des Sommers, als die Getto s allmählic h leere r wurden , wa r dies e Lis t nich t mehr nötig . Konskowola , Jozefow , Michow , Grabowic , Lublin, Lodz . Manch e Tran s port e trafe n völli g ohn e lebend e Fracht ein . Dan n steckte n wi r vo m Bahnhofskommand o unser e G e päckscheine weg und schafften die nackten Leichen aus dem stinkende n Inneren . E s wa r wi e be i de n Gaslastwage n in Chelmno , nu r ware n di e Leiche n hie r Tag e ode r Woc h e n in ihre r Todesumarmun g erstarrt , wen n di e Waggon s au f einem ländliche n Nebenglei s i n de r sengende n Hitz e backten . Einmal zerrte ich am Leichnam einer jungen Frau, die ein Kind und ein e alt e Fra u i n letzte r Umarmun g hielt , un d al s ic h zog , riß ih r Ar m ab .
Ic h verflucht e Got t un d stellt e mi r da s blasse , höhnisch e G e sich t de s Standartenführer s vor.
I m Jul i besucht e Heinric h Himmle r Sobibor . Fü r diese n Tag wurden Spezialtransporte von Juden aus dem Westen ein g e richtet, damit er die Vorgehensweise begutachten konnte . Es dauert e kein e zwe i Stunde n vo n de r Ankunf t de r Züg e bi s zum letzte n Rauchwölkchen , da s au s de n sech s Öfe n aufstieg . W ä h rend dieser Zeit wurde jede weltliche Habseligkeit der Juden beschlagnahmt , sortiert , katalogisier t un d verstaut . Selbs t das Haa r de r Fraue n wurd e i n Lage r I I geschnitte n un d z u Pelzfu t te r ode r Schuhe n fü r U - Boot - Besatzunge n verarbeitet.
Ic h sichtet e Gepäc k i m Ankunftsbereich , al s di e Grupp e des Kommandanten Himmler und dessen Gefolge durchführte. An Himmler kann ich mich kaum e rinnern e r wa r ei n kleiner Man n mi t Bürokratenschnurrbar t un d Brill e –, abe r hinte r ihm gin g ei n junge r blonde r Offizier , de n ic h sofor t erkannte . Es wa r de r Standartenführer . De r Standartenführe r bückt e sich zweima l un d flüstert e leis e i n Himmler s Ohr , un d einma l warf de r Reichsführe r S S de n Kop f zurüc k un d stie ß ei n eigent ü m lic h feminine s Lache n aus.
Si e ginge n fün f Mete r a n mi r vorbei . Ic h erledigt e meine Aufgab e gebückt , schaut e einma l au f un d stellt e fest , da ß mich de r Standartenführe r direk t ansah . Ic h glaub e nicht , da ß er mich erkannte. Seit Chelmno
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